US-Coup in Ecuador
Von Volker Hermsdorf
					Während US-Soldaten vor Lateinamerikas Küsten zivile Boote beschießen, Besatzungen töten und den militärischen Ring um Venezuela enger ziehen, öffnet Ecuadors rechter Präsident Daniel Noboa Washington erneut die Tür. Nach 17 Jahren ohne ausländische Truppen im Land will der Bananenunternehmer und Staatschef dem US-Militär wieder die Nutzung ecuadorianischer Basen erlauben. Über das Vorhaben soll am 16. November in einem Referendum abgestimmt werden, dem angesichts des militärischen Aufmarschs der USA in der Region besondere Brisanz zukommt. Dabei geht es nicht nur um die Souveränität des Landes, sondern auch um seine Rolle im geopolitischen Machtkampf der Großmächte.
Seit Monaten bereitet Noboa die Bevölkerung darauf vor, eine 2008 in der Verfassung verankerte Klausel zu kippen, die jede ausländische Militärpräsenz auf ecuadorianischem Boden verbietet. Die derzeitige Verfassung war von der linken Regierung des damaligen Präsidenten Rafael Correa verabschiedet worden, die 2009 die Schließung der US-Basis in Manta durchsetzte – auch als Symbol der Befreiung von Washingtons Einfluss. Bis dahin hatten die USA von dort aus angeblich »Antidrogenoperationen« im Pazifik geführt. Tatsächlich fungierte der Stützpunkt aber als Vorposten des Südkommandos der US-Streitkräfte und diente den US-Militärs als strategische Plattform zur Überwachung der Region.
Nun setzt Noboa alles daran, den Verfassungsartikel wieder zu streichen. Der reichste Mann des Landes begründet sein Vorhaben mit der dramatischen Sicherheitslage. Ecuador, das unter Correa als sicherstes Land Südamerikas galt, erlebt derzeit eine beispiellose Welle der Gewalt: Mehr als 3.000 Menschen wurden allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres Opfer von Morden, Entführungen oder Erpressungen. Drogenkartelle und kriminelle Netzwerke haben in den letzten Jahren ihre Kontrolle über Häfen und Gefängnisse ausgebaut. Noboa argumentiert, der Kampf gegen »die globale Bedrohung durch Drogenhandel und Waffenschmuggel« könne nur in einer militärischen Kooperation mit den USA geführt werden. Wie sein Vorbild Donald Trump spricht er von einem »Krieg gegen den Terror der Drogenbanden«. Offiziell ist von »gemeinsamen Operationen zur maritimen Überwachung« und »technologischer Unterstützung« die Rede. Als mögliche Standorte für Basen gelten die Küstenstädte Manta und Salinas, wo bereits Militärinfrastruktur vorhanden ist. Der ursprünglich ins Auge gefasste Standort Galápagos wurde nach Widerstand von Umweltorganisationen und Oppositionsparteien fallengelassen. Die Erinnerung an eine US-Basis auf der Insel Baltra während des Zweiten Weltkriegs, die den dortigen Lebensraum zerstörte, wirkt bis heute nach.
Doch die Kritik reicht weit über Umweltfragen hinaus. Linke Parteien, Gewerkschaften, indigene Organisationen und soziale Bewegungen sehen in Noboas Plänen einen Souveränitätsverzicht und warnen vor einem Schachzug, der Ecuador in den Einflussbereich Washingtons zurückführen soll. »Die Basen dienen nicht der inneren Sicherheit, sondern der militärischen Kontrolle Lateinamerikas«, warnt der Politologe Francisco Espinoza. Die Rückkehr der US-Armee sei zudem Teil einer geopolitischen Offensive Washingtons, das Lateinamerika wieder stärker unter Kontrolle bringen wolle. »Noboa will Ecuador in den Dienst der US-Kriegspolitik stellen«, sagt der Abgeordnete und Vorsitzende der indigenen Conaie-Bewegung, Leonidas Iza. Auch in der Region und international stoßen die Pläne auf Ablehnung. Die USA, die derzeit ihre Präsenz in der Karibik, in Argentinien, Kolumbien, Peru und Mittelamerika verstärken, betrachten Ecuador als wichtiges Bindeglied im pazifischen Raum. Was offiziell mit dem »Kampf gegen Drogenschmuggler« und der »Sicherung von Handelsrouten« begründet wird, dient faktisch zur Eindämmung Chinas und Russlands sowie zur Vorbereitung möglicher Militäraktionen gegen Venezuela. US-Präsident Donald Trump erklärte zwar gerade wieder, dass er derzeit keinen Krieg gegen Venezuela plane, schließt diese Möglichkeit aber auch nicht aus und vermeidet klare Aussagen. Ecuador würde mit einer US-Basis zu einem strategischen Brückenkopf zwischen Nord- und Südamerika – und zum potentiellen Vorposten in einem neuen Stellvertreterkonflikt.
Unterstützung erhält Noboa vor allem von Unternehmerverbänden und rechten Medien, die in einer Rückkehr der US-Armee »eine Chance für Stabilität und Investitionen« sehen. Breite Teile der Gesellschaft hingegen wehren sich entschieden gegen das, was sie als »Kapitulation vor dem Norden« bezeichnen. »Wir brauchen Schulen und Arbeit, keine US-Soldaten«, steht auf Transparenten in Quito und Guayaquil.
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