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Aus: Ausgabe vom 04.11.2025, Seite 4 / Inland
Abschiebungen nach Syrien

Um Korrektur bemüht

CDU-Funktionäre geben Außenminister Kontra. Andere relativieren Wadephuls Zweifel an schnellen Abschiebungen nach Syrien
Von Kristian Stemmler
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Johann Wadephul assistiert bei einer Baumpflanzung in Syrien (Damaskus, 30.10.2025)

Mit seiner Einschätzung der Lage in Syrien sorgt Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) weiterhin für Aufruhr in der Union. Am Wochenende hatten sich vor allem CSU-Politiker beeilt, Wadephuls Zweifel an einer schnellen Abschiebung syrischer Geflüchteter entgegenzutreten, die er angesichts der Zerstörungen in und um Damaskus geäußert hatte. Zum Wochenanfang gingen auch führende Politiker der CDU in die Bütt und bemühten sich um Schadensbegrenzung. So erklärte Unionsfraktionsvize Günter Krings gegenüber Bild, »die spontane Äußerung« des Bundesaußenministers sei »ganz offensichtlich aus dem Zusammenhang gerissen, wenn man ihr irgendeine Relevanz für die anstehenden und notwendigen Rückführungen nach Syrien geben wollte«.

In weite Teile des Landes sei »für die allermeisten ausgereisten Syrer eine Rückkehr zumutbar«. Auch sei der Zerstörungsgrad eines Landes als Argument gegen eine »freiwillige oder pflichtgemäße Rückkehr« ungeeignet, behauptete Krings. Er fragte, wenn auch rhetorisch: Wer solle denn ein zerstörtes Land wieder aufbauen, »wenn das nicht seine eigenen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen tun«? Eine Antwort: westliche Baukonzerne mit Billigarbeitern aus der Region.

Wadephul hatte sich bei einem Besuch in Harasta, einem von Zerstörung gezeichneten Vorort von Damaskus, am Freitag skeptisch gezeigt, dass syrische Geflüchtete schnell zurückkehren könnten. Ein solches Ausmaß an Zerstörung habe er bisher nicht gesehen, hatte er gegenüber mitgereisten Journalisten erklärt. Die Infrastruktur sei zerstört, »hier können wirklich kaum Menschen würdig leben«, wurde der Minister zitiert.

Sachsen-Anhalts CDU-Chef und Wirtschaftsminister Sven Schulze, der am Wochenende zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im September 2026 gekürt wurde, könne Wadephuls Aussagen nicht nachvollziehen, sagte er gegenüber Bild. Es müsse an einer Strategie zur schnellen Rückkehr syrischer Geflüchteter gearbeitet werden. »Ein in Teilen zerstörtes Land und schlechtere Lebensbedingungen als in Deutschland sind kein Grund, daran nicht zu arbeiten«, betonte Schulze.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach in der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin« am Sonntag abend von einem »Scheinkonflikt«. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Außenminister Wadephul seien der gleichen Meinung: »Wir schieben ab, wir müssen abschieben, natürlich die Straftäter.« Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) sprach sich am Montag im Deutschlandfunk dafür aus, zwischen den Regionen zu unterscheiden. Dass ein würdiges Leben nicht möglich sei, könne man nicht für ganz Syrien sagen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe Syriens »Interimspräsidenten« Ahmed Al-Scharaa nach Berlin eingeladen, um über die Rückkehr von Syrern sowie den Wiederaufbau des Landes zu sprechen. Regierungssprecher Stefan Kornelius sprach gegenüber Bild ebenfalls von einem »Scheinkonflikt«. Die Bundesregierung arbeite an der schnellen Stabilisierung Syriens, um die Voraussetzung für die Rückkehr von Flüchtlingen zu schaffen. Zugleich sei es »unzweifelhaft, dass schwere Straftäter abgeschoben werden sollen, so wie es der Außenminister in Damaskus auch klar gesagt hat«.

Für Befürworter des Abschiebens straffällig gewordener Ausländer kam die Festnahme eines Syrers am Sonnabend in Berlin wie gerufen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 22jährigen vor, einen islamistischen Terroranschlag geplant zu haben. Der Verdächtige soll sich für den Bau einer Spreng- oder Brandvorrichtung bereits mehrere Gegenstände verschafft haben. Auf Social-Media-Plattformen soll er Propagandalieder von Dschihadisten geteilt haben.

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