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Aus: Ausgabe vom 01.11.2025, Seite 3 / Ansichten

Weltenwende

Xi spricht auf dem APEC-Gipfel
Von Daniel Bratanovic
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Als der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jingping im Jahr 2017 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos ein passioniertes Plädoyer für den weltweiten Freihandel hielt, mochte man sich noch wundern. Bis dahin kannte man solche Reden eher von anderen Staatslenkern aus anderen Weltgegenden. Seither hat Xi diese Position mehrfach bekräftigt, während der damals, 2017, und auch heute regierende Präsident der Vereinigten Staaten davon nichts wissen will und den Protektionismus zu seinem Regierungsprogramm erklärt hat.

Beim Treffen von Trump und Xi am Donnerstag im südkoreanischen Gyeongju ging es darum, den laufenden Handelskrieg zwischen der Volksrepublik und den USA nicht noch weiter eskalieren zu lassen. Nur einen Tag später rief der chinesische Staatspräsident am gleichen Ort die Staaten der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) dazu auf, einen »echten Multilateralismus« zu praktizieren. Sie sollten ein offenes regionales Wirtschaftsumfeld und die Liberalisierung von Handel und Investitionen fördern.

Der weltökonomische und weltpolitische Wandel, der sich auch mit diesen Auftritten wieder einmal manifestiert, ist einer ums Ganze. Noch vor einem Vierteljahrhundert produzierten die Lohnabhängigen in den G7-Staaten ungefähr die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts, heute nicht einmal mehr ein Drittel. Nur wenig deutete damals auf die teils dramatischen Verschiebungen im Weltkoordinatensystem hin. Die Welt schien unipolar, und die Industrienationen des Nordens, allen voran die USA, waren bestrebt, zwecks Absatz- und Profitmehrung ihrer Kapitale gleichsam allen Staaten allgemeingültige Regeln aufzuerlegen. Das Stichwort lautete »Liberalisierung des globalen Handels« und die Erwartung »Wandel durch Handel«, denn exportiert wurde nicht nur westliche Industrieware, sondern gleich auch ein ganzes Paket westlicher Werte. Und sollte die Ausfuhr dieser segensreichen Güter einmal stocken, blieb immer noch das, was verharmlosend Menschenrechtsinterventionismus genannt wurde: Mit militärischen Mitteln war dann halsstarrigen Despoten zu bedeuten, dass sie ungefragt keine eigenständigen Schritte zu unternehmen, ihre natürlichen Reichtümer feilzubieten und ihren Herrschaftsbereich für die Einfuhr wohlfeiler Waren oder deren Produktion unter dem Besitztitel und dem Kommando westlicher Unternehmen gefälligst nicht ab-, dafür aber ihre überflüssigen Staatsbürger einzuschließen hatten.

Diese Art der Weltordnung ist passé. Ganz einfach deshalb, weil der Reichtum der Warenproduktion nicht mehr länger nur in den alten kapitalistischen Zentren verbleibt. Die widersprüchliche Einheit von Wirtschaft auf Weltbasis und Politik auf Grundlage des Nationalstaates stiftet wiederkehrende Krisen. Der Weltmarkt vereinheitlicht und fragmentiert zugleich und sorgt für ungleiche Entwicklung. Man kann das – dieses Signal geht auch von Südkorea aus – am Aufstieg Chinas und am relativen Abstieg der USA ablesen.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (1. November 2025 um 10:25 Uhr)
    Chinas industrielle und technologische Stärke ist historisch betrachtet eng mit der Einbindung in den US-geführten Weltmarkt verknüpft. Das Land nutzte den Zugang zu westlichem Kapital, Know-how und Absatzmärkten, um in rasantem Tempo eigene industrielle Kapazitäten aufzubauen. Aus anfänglicher Nachahmung wurde systematische Weiterentwicklung: Heute ist China in zahlreichen Schlüsselbranchen – von der Elektromobilität über erneuerbare Energien bis zur digitalen Infrastruktur – Weltmarktführer. Während die USA ihr nominales Bruttoinlandsprodukt seit 2010 zwar nahezu verdoppeln konnten, ist ein beträchtlicher Teil dieses Wachstums finanzmarktgetrieben und spiegelt weniger reale industrielle Stärke wider. Die US-Ökonomie bleibt innovationsstark, aber sie verliert an produktiver Tiefe. China dagegen hat konsequent auf die Kontrolle kritischer Rohstoffe und Produktionsketten gesetzt. Mit einer nahezu monopolartigen Stellung bei den sogenannten seltenen Erden und einem Anteil von über 30 Prozent an der weltweiten Industrieproduktion verfügt es über strukturelle Vorteile, die sich in der technologischen und geopolitischen Konkurrenz zunehmend bemerkbar machen. Zudem verschiebt die wachsende Bedeutung der BRICS-Staaten – ein Verbund, der mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung umfasst – das ökonomische Gewicht weiter nach Süden und Osten. Dieses Netzwerk eröffnet China nicht nur neue Märkte, sondern auch politische Rückendeckung für eine Weltordnung, die nicht länger ausschließlich vom Westen definiert wird. Vor diesem Hintergrund markiert Xis Plädoyer für »echten Multilateralismus« weniger idealistische Rhetorik als vielmehr einen strategischen Anspruch: die Gestaltung einer multipolaren Weltwirtschaft, in der China als zentrale Ordnungsmacht agiert. Der »Aufstieg Chinas« und der »relative Abstieg der USA« sind keine kurzfristigen Phänomene, sondern Ausdruck einer strukturellen Weltenwende – ökonomisch, politisch und ideologisch.

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