Was will man auf Kuba noch sanktionieren?
Von Carmela Negrete
Jährlich stimmt die Vollversammlung der Vereinten Nationen mit großer Mehrheit gegen die US-Blockade von Kuba, darunter auch EU und BRD. Die nächste Abstimmung steht unmittelbar bevor. Weshalb organisieren Kuba-Solidaritätsorganisationen für diesen Mittwoch eine Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt?
Die US-Gesetzgebung untersagt auch deutschen Unternehmen, mit Kuba Handel zu treiben. Zwar gibt es auf EU-Ebene die sogenannte Blocking-Regulation, aber sie wird nur unzureichend angewendet. Es reicht nicht aus, nur einmal im Jahr die Hand zu heben bei den Vereinten Nationen. Es ist wichtig, dass die EU-Mitgliedstaaten konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Blockade zu beenden oder zumindest ihre Folgen abzumildern. Wir gehen dahin, wo die Verantwortlichen sitzen – und das ist vor allem im Auswärtigen Amt. Über den Tourismus hinaus muss die Bundesregierung mehr tun, um deutsche Unternehmen vor den US-Blockadegesetzen zu schützen und ihnen Handel sowie Investitionen zu ermöglichen. Sonst wird es für Kuba sehr schwierig.
Die kubanische Granma berichtete, dass weitere Sanktionen geplant sind. Was kann man überhaupt noch sanktionieren?
Die US-Administration ist in den vergangenen Jahren dazu übergegangen, auch Personen zu sanktionieren, die mit dem Ärzteprogramm in Verbindung stehen. Viel bleibt da tatsächlich nicht mehr übrig. Was die USA vor der Küste Venezuelas und Kolumbiens machen, ist auch eine Warnung an Kuba.
Die Kriegsschiffe sollen um einen Flugzeugträgerverband ergänzt werden …
Juristisch ist das meiste ausgeschöpft, aber es besteht nun eine reale Gefahr militärischer Aktionen. Venezuela ist für die USA zwar wegen der Bodenschätze interessant, aber Kuba bleibt symbolisch ein Stachel im Fleisch des US-Imperialismus.
Was bedeutet das für die Abstimmung der Vollversammlung?
Die USA üben derzeit enormen Druck auf andere Länder aus – in Lateinamerika wie in Europa –, damit sie Kuba nicht mehr unterstützen. Wir wissen, dass es da auch Erpressungen gibt, um Unterstützung zu verhindern.
Wie hat sich die ökonomische Lage Kubas zuletzt entwickelt?
Das Hauptproblem ist die Energieversorgung. Venezuela kann als verlässlicher Partner im Erdölbereich nicht mehr so helfen wie früher. Die Kooperation mit Kuba lief über Kredite oder im Austausch mit Dienstleistungen wie den Ärztekooperationen. Venezuela konnte dadurch aber keine Devisen generieren. Angesichts der schwierigen Lage dort hat die Regierung von Präsident Nicolás Maduro entschieden, eher Märkte zu bedienen, von denen sie wirtschaftlich mehr profitiert – zumal sie selbst unter Sanktionen leidet. Sie schicken zwar weiterhin Öl nach Kuba, aber nicht mehr in dem vereinbarten Maß. Früher waren es über 100.000 Barrel pro Tag, vereinbart waren 55.000, jetzt sind es vielleicht nur noch 30.000. Hinzu kommen veraltete, ineffiziente Kraftwerke.
China unterstützt zwar, aber vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien. Ein weiteres Problem ist, dass der Energieverbrauch durch die Legalisierung kleiner und mittlerer Unternehmen stark gestiegen ist. Produktion und Verbrauch stehen also in keinem Gleichgewicht mehr.
Unternehmen dürfen offenbar in Kuba nun Hotels besitzen. Wie funktioniert das?
Es ist eher eine Art Pacht. Bisher lief vieles über Joint Ventures, meist mit spanischen Unternehmen, wobei der kubanische Staat die Mehrheit hielt und für Arbeits- und Investitionsfragen verantwortlich war. Jetzt geht es darum, ausländischen Investoren im Tourismussektor mehr Kompetenzen zu geben, in der Hoffnung auf mehr Investitionen. Die touristische Infrastruktur bleibt aber Eigentum des kubanischen Staates. Es geht nur um mehr Autonomie, nicht um Kapitalisierung.
Kuba befindet sich gerade in einer sehr schwierigen Lage, denn es geht um das Überleben der Revolution. Deshalb ist es jetzt besonders wichtig, Kuba auf allen Ebenen zu unterstützen: sei es durch Reisen, Spenden, Hilfslieferungen oder Investitionen. Kuba braucht im Moment alles.
Steffen Niese ist Koordinator der AG Cuba Sí in der Partei Die Linke
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