Rufe nach Abkoppelung
Von Philip Tassev
Nachdem Außenminister Johann Wadephul (CDU) seine für Sonntag geplante China-Reise kurzfristig abgesagt hat, bemüht man sich sowohl in Berlin als auch in Beijing, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Der stellvertretender Regierungssprecher, Steffen Meyer, sagte am Montag, es bestehe »weiterhin ein Interesse an einem respektvollen und guten Austausch auch mit der chinesischen Regierung«. Er sehe »durch die Verschiebung keinen großen Einfluss auf die weitere Politik der Bundesregierung«. Der chinesische Außenamtssprecher Guo Jiakun erklärte, die Volksrepublik betrachte ihre Beziehungen zur Bundesrepublik »stets aus einer strategischen und langfristigen Perspektive«. Beide Länder seien »führende Volkswirtschaften der Welt«, ihre Zusammenarbeit »für beide Seiten von Vorteil«. Es sei »gerade unter den gegenwärtigen Umständen« um so wichtiger, dass beide Seiten die bilateralen Beziehungen »auf dem richtigen Weg« vorantrieben.
Wadephul wollte ursprünglich für zwei Tage in die chinesische Hauptstadt reisen. Doch dann hieß es am Freitag vom Auswärtigen Amt, die Reise werde nicht stattfinden, da die chinesische Seite bis auf ein Treffen mit Außenminister Wang Yi »hinreichende weitere Termine« nicht bestätigt habe.
Der deutsche Außenminister war in den vergangenen Wochen mehrfach mit Äußerungen aufgefallen, die mit Blick auf eine Terminabsprache mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang oder gar Präsident Xi Jinping nicht hilfreich gewesen sein dürften. So warf Wadepuhl im August bei einem Besuch in Japan der Volksrepublik vor, zumindest indirekt am Ukraine-Krieg beteiligt zu sein, da ohne eine »Unterstützung der russischen Kriegsmaschinerie« durch Beijing »der Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht möglich« sei. Außerdem drohe China »mehr oder weniger offen, den Status quo einseitig zu verändern und Grenzen zu seinen Gunsten zu verschieben«. Wadepuhl wandele auf den Spuren von Annalena Baerbock und erwecke den Eindruck, »er wolle an die antichinesische Wende der deutschen Außenpolitik von 1937 anknüpfen und erneut ein Bündnis mit Japan gegen China und Russland anstreben«, schrieb BSW-Außenpolitikexpertin Sevim Dagdelen vergangene Woche in einem Gastbeitrag in der Berliner Zeitung.
Roderich Kiesewetter, wütender Verfechter einer globalen Hegemonie des »Westens«, erweckt noch stärker diesen Eindruck. Gegenüber dem Portal web.de sah der CDU-Bundestagsabgeordnete am Dienstag die deutsch-chinesischen Beziehungen auf einem »Tiefpunkt«. Schuld daran sei natürlich allein China. In Anspielung auf die kürzlich von Beijing als Antwort auf die Quasi-Enteignung des Chipherstellers Nexperia veranlassten Maßnahmen behauptete er: »Aktuell ist China der Partner, der die Konfrontation sucht.« Deshalb müsse man »Sicherheit durch Abstand schaffen« und »uns dort, wo es geboten ist, auch von China entkoppeln«. Unionsfraktionsvize Norbert Röttgen äußerte sich ähnlich. Die Bundesrepublik müsse »einseitige Abhängigkeiten von China abbauen, die uns angreifbar machen«, sagte er dem RND.
Kritik an der Absage der Reise kam etwas überraschend von den Grünen. Omid Nouripour sagte gegenüber web.de, in der Diplomatie gebe es »wenig Raum für Beleidigtsein«. Die Regierung solle daher »den strategischen Dialog« mit Beijing suchen, »statt sich in symbolischen Absagen zu verlieren«.
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Leserbrief von Joachim Seider (29. Oktober 2025 um 09:14 Uhr)Ist es nicht erstaunlich, mit welcher Beharrlichkeit unsere Regierung wieder zurück ins ökonomische Mittelalter möchte? Ihre politischen Ziehväter haben uns noch mit Lobgesängen über den unendlichen Nutzen globalen Kapitalverkehrs und globaler Lieferketten gefüttert. Und nun: Zaun drum, Mauern bis zum Himmel und Zölle an jedem Stadttor. Die Kleinstaaterei hat vor hunderten von Jahren nicht funktioniert, nun aber soll sie’s bringen. Das Abkoppeln von den Entwicklungen in der Welt hat in der Geschichte schon viele Großreiche zerstört, nun ist also der glorreiche Westen dran. Vielleicht hat das Ganze aber auch etwas Gutes, wenn den Menschen klar wird, wie beschränkt Kapital auch handeln kann, wenn es sich zielgerichtet ins eigene Knie schießt. Nordstream II lässt grüßen.
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