Kapital plant Großangriff
Von Frederic Schnatterer, Buenos AiresDie argentinische Regierung regiert für das Kapital. Das bestätigte sie am Donnerstag der vergangenen Woche erneut. Vor Vertretern des wichtigsten Unternehmerverbandes des Landes, IDEA, stellten sie in der Küstenstadt Mar del Plata die zwei wichtigsten Gesetzesvorhaben für die zweite Hälfte der Amtszeit von Präsident Javier Milei vor: ein neues Arbeits- sowie ein neues Steuergesetz. Beide versprechen enorme Freiheit fürs Kapital mit fatalen Folgen für die Arbeiter.
Wirtschaftsminister Luis Caputo, der weiterhin in Washington weilte, versicherte per Videobotschaft, das Land befinde sich auf einem guten Weg. Nachdem sie »das lang ersehnte Haushaltsgleichgewicht« und einen Rückgang der Inflation erreicht habe, stehe nun die »zweite Phase der Reformen« an. »Die Arbeitsreform ist von grundlegender Bedeutung«, erklärte er. Das derzeit in Argentinien geltende Recht sei »archaisch, starr und unberechenbar«. Zudem müsse zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eine »Steuerreform« durchgebracht werden, »die viele Steuern abschaffen, andere senken und das Steuersystem insgesamt vereinfachen« solle.
Das angestrebte Arbeitsgesetz – seit Jahren fordern die Unternehmer des Landes euphemistisch »klare Regeln« – hat es in sich. Es sieht ein Ende der geltenden Tarifbindung vor. An Stelle der paritätisch besetzten Tarifverhandlungen sollen »freie« treten, was eine Schwächung der Position der Gewerkschaften bedeuten würde. Auch betriebsbedingte Kündigungen sollen erleichtert werden. Bereits am Abend zuvor hatte Präsident Milei in einem Fernsehinterview erklärt: »Die Gesetze sind veraltet. Wenn die Hälfte der Arbeit im informellen Sektor stattfindet, läuft etwas falsch.« Ein neues Arbeitsgesetz müsse mehr »Flexibilität« erlauben.
»Milei geht es darum, die Gewerkschaften zu schwächen«, erklärt Luis Campos gegenüber junge Welt. Der Anwalt, der am Institut für Studien und Ausbildung des Gewerkschaftsdachverbands CTA-Autónoma arbeitet, betont, die von Milei vorgeschlagenen Änderungen seien nichts wirklich Neues. So habe die Regierung von Mauricio Macri 2017 nahezu identische Maßnahmen gefordert, diese letztlich aber nicht durchsetzen können. »Der strategisch wichtigste Aspekt dieses Projekts ist der Vorstoß gegen kollektive Organisationen«, macht Campos deutlich. So solle erreicht werden, dass der Hälfte der Arbeiterschaft, die weiterhin in formellen Angestelltenverhältnissen arbeitet, jeglicher Zugang zu Arbeiterrechten streitig gemacht werde.
Um die Arbeits- und die Steuerreform durchzubringen, braucht die Regierungsliste La Libertad Avanza (LLA) bei der Wahl am Sonntag ein gutes Ergebnis. Auch wenn peronistische und andere Kräfte durchaus für die Vorhaben zu gewinnen sein werden, dürfte ein schlechtes Abschneiden die Änderungen unwahrscheinlicher machen. Das ist auch den Kapitalvertretern bewusst, wie IDEA-Präsident Santiago Mignone am Freitag deutlich machte. Zum Ende der Tagung erklärte er, es könne nicht sein, dass »unsere Wirtschaft alle zwei Jahre eine Krise durchläuft, nur weil ein Wahlprozess und die Verantwortungslosigkeit seiner Akteure sie ins Wanken bringen«. Sein Appell an Milei und die Seinen: »Es gibt keinen Spielraum mehr, um Lösungen weiter hinauszuzögern.«
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