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Aus: Ausgabe vom 24.10.2025, Seite 6 / Ausland
Lateinamerika

Kolumbiens Zerreißprobe

Von außen drohen die USA mit einer Intervention. Auch innenpolitisch spitzt sich die Frage nach der Macht zu
Von Elias Korte, Cali
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Widerstand gegen die Drohungen der USA: Protest in Bogotá am 17. Oktober

Kolumbien erlebt turbulente Wochen im Vorwahlkampf. Während Washington den Ton gegenüber Bogotá verschärft, einseitig das Freihandelsabkommen aufkündigt, Hilfszahlungen einstampft und weitere militärische Maßnahmen androht, sind die innenpolitischen Entwicklungen nicht weniger spannungsgeladen. So wurde Expräsident Álvaro Uribe am Dienstag in zweiter Instanz von dem Vorwurf freigesprochen, Ermittlungen über seine Beziehungen zu paramilitärischen Gruppen beeinflusst zu haben – ein Schlag ins Gesicht aller, die auf Gerechtigkeit für die Verbrechen der Ultrarechten gehofft hatten. Es ist die Rückkehr eines alten Gespensts. Uribe, Symbolfigur der Reaktion und enger Verbündeter der Oligarchie mit ihren Fußtruppen, war zuvor zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Nun erklärte das Berufungsgericht die Beweise für unzureichend, weil abgehörte Gespräche unzulässig gewesen sein sollen und Zeugenaussagen »zweifelhaft« seien – ein Ausdruck der Machtverhältnisse im Staatsapparat.

Gleichzeitig eskaliert der Konflikt mit den USA: Donald Trump hat am Sonntag den kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro öffentlich als »illegalen Drogenführer« bezeichnet und erklärt, die USA würden alle Hilfszahlungen an Kolumbien einstellen. Der US-Präsident erklärte, das Land sei »eine Drogenproduktionsmaschine«, und kündigte an, Importzölle auf kolumbianische Waren zu verhängen – ein klarer Bruch mit dem Freihandelsabkommen zwischen beiden Ländern. Darüber hinaus drohte er, die USA könnten militärisch eingreifen, falls Petro nicht »sofort diese Drogenfelder schließt«.

Seit Wochen patrouillieren US-Kriegsschiffe, -Kampfjets und -U-Boote vor den Küsten Venezuelas und Kolumbiens – offiziell, um den Drogenhandel zu bekämpfen. In Wirklichkeit zeichnet sich jedoch eine gefährliche Eskalation ab. Erst vor wenigen Tagen griff das US-Militär ein Fischerboot an und erklärte die Opfer anschließend zu »Narcoterroristen«. Wie sich aber herausstellte, handelte es sich um eine kolumbianische Fischerfamilie. Bogotá sprach von einem »Angriff auf die nationale Souveränität«. Auch die Guerillaorganisation ELN wies die US-Anschuldigungen zurück. In einer Erklärung distanzierte sie sich von angeblichen Drogenkurierdiensten per Boot, die Washington ihr vorwirft und als Begründung für sein Vorgehen anführt.

Unterdessen ruft die kolumbianische Linke zur Verteidigung der nationalen Würde auf. Der Kommunistischen Partei zufolge dürfe sich Kolumbien nicht länger zum US-Vorposten machen. In einem Kommuniqué heißt es: »Die Würde Kolumbiens wird nicht verhandelt. Die militärische Präsenz der USA auf unserem Boden muss beendet werden.« Man fordert eine diplomatische Offensive über die Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) und die Union südamerikanischer Nationen (Unasur) gegen die Bedrohung durch die USA.

Während Petro außenpolitisch Profil gewinnt, steckt sein Linksbündnis »Pacto Histórico« in internen Turbulenzen. Kommenden Sonntag wollten dessen Mitgliedsparteien per Referendum die Kandidaten für die Wahlen im kommenden Jahr bestimmen. Aus der Befürchtung heraus, dass der Nationale Wahlrat die Abstimmung für unrechtmäßig erklärt, haben sich allerdings die Kommunistische Partei und die Unión Patriótica zurückgezogen, so dass es offiziell nur ein internes Votum des Polo Democrático über die Kandidaturen von Carolina Corcho und Iván Cepeda für das höchste Staatsamt geben wird.

Inmitten der Angriffe aus Washington und der juristischen Rehabilitierung Uribes versucht Petro seine Anhänger unter dem Banner der Souveränität zu vereinen. Sicher ist: Kolumbien steht auch in den kommenden Monaten weiter im Brennpunkt des lateinamerikanischen Klassenkampfs – zwischen imperialer Einmischung, oligarchischer Reaktion und dem Versuch, einen Weg mit diversen außenpolitischen Optionen und des Friedens mit sozialer Gerechtigkeit zu gehen. Für Freitag hat Präsident Petro zu einer Kundgebung in Bogotá aufgerufen, die gleichzeitig der Startschuss sein soll für das Sammeln von Unterschriften für eine entsprechende Verfassungsreform.

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