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Aus: Ausgabe vom 27.10.2025, Seite 2 / Inland
Die Linke gegen Leerstand in Bayern

»Die Hälfte steht länger als ein Jahr leer«

Bayern: Die Linke nutzt Zensuszahlen und macht landesweit auf spekulativen Leerstand bei Wohnungen aufmerksam. Ein Gespräch mit Martin Bauhof
Interview: Fabian Linder, Augsburg
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Der Landesverband der Linkspartei hat diese Woche eine bayernweite Kampagne gestartet, um auf Wohnungsnot trotz Leerstand hinzuweisen. Sie beziehen sich auf die Zahlen vom Zensus. Was sagen diese aus?

Allein im Jahr 2022 standen 293.000 Wohnungen leer, davon 169.000 länger als ein Jahr und das trotz eines angespannten Wohnungsmarkts. Statistische Zahlen zu den Ursachen des Leerstands gibt es leider nicht im Zensus. Was ich bei der Recherche bei uns in Rosenheim immer wieder gesehen habe, sind zum Beispiel Erbengemeinschaften. Wenn die ein Haus für mehrere Jahre für 1,2 Millionen – das ist ein konkretes Beispiel – nicht verkauft bekommen und auch nicht mit dem Preis runtergehen, sind sie in meinen Augen zu gierig.

Wo konzentrieren sich diese Leerstände?

Der Zensus zeigt, je ländlicher die Region ist, desto länger stehen Wohnungen leer. Aber auch in München steht ein Drittel der ungenutzten Wohnungen länger als ein Jahr leer. In Nürnberg und Augsburg sind es 40 Prozent. Bayernweit wird die Hälfte aller leerstehenden Wohnungen länger als ein ganzes Jahr nicht genutzt. Vermutlich ist gerade in den großen Städten der spekulative Anteil daran besonders groß: Investoren kaufen ein Haus, lassen es über Jahre leerstehen und verkaufen dann mit Gewinn. In den Städten ist der Preisanstieg größer, auch weil Grundstückspreise immer weiter ansteigen. Es ist absurd, dass sie in die Berechnung der Mieten miteinfließen dürfen. Denn wenn jemand ein Grundstück mit Haus kauft, geht das Haus mit der Zeit kaputt. Das Grundstück bleibt aber erhalten, warum sollen Mieterinnen und Mieter das also abbezahlen?

Wie haben Sie im Rahmen ihrer Aktion auf die Leerstände aufmerksam gemacht?

Wir haben in Bayern in circa 20 Städten an mindestens 400 Häusern Plakate aufgehängt. Allein in München waren es 160 Gebäude. Hinzu kamen Straubing, Coburg, Fürth, Augsburg und weitere. Damit haben Aktive von uns diese leerstehenden Häuser dort sichtbar gemacht.

Aufmerksamkeit ist das eine, wie bearbeiten Sie das Thema weiter?

Unser Adressat ist vornehmlich die Politik. Mit dem Ziel, nach den Wahlen am 8. März gestärkt in die Kreistage, Stadträte und Gemeinderäte einzuziehen, wollen wir dort Zweckentfremdungssatzungen einfordern. Dazu gehört für uns auch eine Leerstandsabgabe in der Höhe der ortsüblichen Miete, wenn Häuser länger als ein halbes Jahr leer bleiben. Dann ist es unserer Ansicht nach auch Aufgabe der Gemeinde, die Häuser wieder instandsetzen zu lassen – und zwar auf Kosten der Eigentümer. Hinzu kommt die Forderung nach mindestens 40 Prozent sozialem Wohnungsbau für Neubauten ab vier Einheiten, um den Mietennotstand zu bekämpfen. Darüber hinaus bieten wir jetzt schon den Heizkostencheck an. Wir haben in etlichen Städten Bayerns Sprechstunden, wo sich Leute bei Problemen mit Vermietern, Nebenkostenabrechnungen oder bei Wohngeldanträgen melden können.

Gibt es funktionierende Beispiele der Leerstandsabgabe?

In Bayern gibt es bisher meines Wissens keine solche Abgabe. Es gibt jedoch zum Teil bereits Zweckentfremdungssatzungen in etlichen Gemeinden und größeren Städten mit angespanntem Mietmarkt. Da redet sich die Stadtverwaltung oft damit raus, sie könnten den Leerstand nicht ordentlich erfassen. Es gibt jedoch Möglichkeiten. Die Stadt Duisburg macht das etwa über die Stromzählermethode. Mithilfe der jährlichen Meldungen des lokalen Stromanbieters kann festgestellt werden, wenn seit einem Jahr überhaupt kein Strom verbraucht wurde. Mit Zweckentfremdungssatzungen müssen sich Eigentümer eine Genehmigung einholen, wenn sie Häuser länger leerstehen lassen möchten.

Nun sprach das Münchner IFO-Institut zuletzt von einer guten Stimmung und einem Dreijahreshoch auf dem Wohnungsbaumarkt. Wie passt das zusammen?

Man sieht, mit welchen Gewinnen da gerechnet wird. Steigende Mieten und die krassen Erhöhungen der jüngsten Zeit bleiben ein Problem. Dort, wo in den vergangenen Jahren die Mieten um 20, 30 Prozent oder mehr erhöht wurden, gerade bei Neuvermietungen, führt das dazu, dass die Leute nicht mehr umziehen und dann in zu großen oder kleinen Wohnungen bleiben. Der Mietmarkt kühlt sich sozusagen ab, weil keiner mehr umzieht, und heizt sich zugleich weiter auf, weil man sich noch mehr Gewinne verspricht.

Martin Bauhof ist Landessprecher von Die Linke Bayern

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