Kriegshysterie im Klassenzimmer
Von Philip Tassev
Rund um die Uhr bombardieren Politiker, Funktionäre, Militärs und Konzernjournalisten die deutsche Bevölkerung mit Schreckensnachrichten und Horrorszenarien, um die Milliarden Euros zu rechtfertigen, die in Waffen und allgemeine Kriegsvorbereitung gesteckt werden. Am Sonnabend warf zum Beispiel der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, den von NATO-Propagandisten und -Geheimdienstlern regelmäßig für 2029 herbeigeredeten »russischen Angriffsplan« eigenhändig über den Haufen: »Es könnte 2026 sein. Es könnte heute abend sein«, behauptete er gegenüber Springers Welt. Und die Zeitung fragt nicht etwa, ob der General a. D. das ernst meint, sondern ob es wirklich reicht, erst 2027 mit der Wehrerfassung der Jugend zu beginnen.
Nur will die Propaganda nicht so richtig verfangen. Die Kriegsbegeisterung der Menschen in diesem Land hält sich nach wie vor in Grenzen, ebenso wie die Bereitschaft der Jugendlichen, bei der Bundeswehr ihren Kopf hinzuhalten für die »Verteidigung« eines Staates, der ihnen nichts mehr zu bieten hat. Laut verschiedenen Umfragen der letzten Tage, etwa der Universität Bielefeld oder von Greenpeace, lehnen trotz medialen Dauerfeuers immer noch bis zu zwei Drittel der jungen Leute die Wiedereinführung eines Zwangs zum Dienst an der Waffe ab.
Hier kommt Alexander Dobrindt ins Spiel. Der BRD-Innenminister möchte die Jugend direkt ansprechen, und zwar dort, wo es kein Entkommen gibt: in der Schule. Im Interview mit dem Handelsblatt (Sonntagsausgabe) kündigte der CSU-Mann an, sich bei der nächsten Innenministerkonferenz dafür einsetzen zu wollen, »das Thema Krisenvorsorge in den Schulalltag einzubinden«. Sein Vorschlag sei, »dass in einem Schuljahr in einer Doppelstunde mit älteren Schülern darüber diskutiert wird, welche Bedrohungsszenarien es geben kann und wie man sich darauf vorbereitet«. Denn: Kinder seien »wichtige Wissensträger« in die Familien hinein.
Der Bundesinnenminister hofft also offenbar, dass Schulkinder – durch irgendwelche »Bedrohungsszenarien« aufgeschreckt – die Angst vor dem »Russen« mit nach Hause tragen, um dort ihre Eltern und Geschwister damit anzustecken.
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