»Die Statue wurde uns entrissen«
Interview: Marc Bebenroth
Seit 2020 stand in Berlin-Moabit ein Mahnmal für koreanische Frauen, die von der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg systematisch vergewaltigt und versklavt worden waren. Am 17. Oktober ließ die Verwaltung »Ari« abbauen. Hat man Ihnen gesagt, wo sie aufbewahrt wird?
Sie behaupten das. Aber uns wurde weder eine E-Mail noch ein Schreiben geschickt. Unserem Anwalt wurde ausgerichtet: Sobald wir die Rechnung für den Abtransport begleichen, würde man uns die Statue aushändigen. Wir haben keine erhalten.
Warum soll der Verband zahlen?
Ursprünglich sollten wir für den Fall, dass wir »Ari« nicht freiwillig abräumen, 3.000 Euro Zwangsgeld zahlen. Vor Gericht konnten wir uns dagegen wehren, sollten aber die Ersatzvornahme durch das Bezirksamt, die Statue zu entfernen – was mindestens 1.500 Euro kostet – bezahlen. Dabei sind wir ständig am Limit unserer Möglichkeiten, auch um unser Museum offenhalten zu können. Da wir keinerlei staatliche Förderung bekommen und vergangenes Jahr unser größtes Bildungsprojekt von Kai Wegner persönlich torpediert wurde, können wir Spenden für unsere Aufgaben besser gebrauchen als für das Entfernen von »Ari«.
Wie soll der Regierende Bürgermeister Ihr Projekt torpediert haben?
Indem er den zuständigen Beirat direkt angerufen hat und ihm zu verstehen gab, der japanischen Regierung gefalle das Projekt nicht. Dazu läuft noch ein Eilverfahren von uns. Schon nachdem die Statue 2020 enthüllt worden war, regte sich die japanische Regierung tierisch darüber auf. Bei einem Treffen in Paris hatte der japanische Außenminister den deutschen Außenminister Heiko Maas um die Entfernung der Friedensstatue gebeten. Innerhalb von zehn Tagen kam die Aufforderung des Bezirksamts, die Statue müsse verschwinden.
Hat Japan erneut Druck gemacht?
Im Mai 2024 war Wegner in Tokio. Die Außenministerin bat persönlich um die Entfernung der Friedensstatue. Nach seiner Rückkehr kündigte er per Mitteilung an, dass es eine Lösung geben müsste. Daraufhin machte das Bezirksamt bekannt, dass die Duldung der Statue gesetzeswidrig gewesen sei und sie deshalb bis zum 31. Oktober 2024 geräumt werden soll. Angeführt wurde die Verwaltungspraxis, wonach ein privates Kunstwerk nur maximal zwei Jahre im öffentlichen Raum stehen dürfe. Im April 2025 entschied das Verwaltungsgericht, dass diese Regelung gar nicht schriftlich existierte, dafür aber zahlreiche Ausnahmen, bei denen Werke länger bleiben.
Wieso wird das Mahnmal als Kunstwerk behandelt?
Zu Beginn hatte uns das Bezirksamt Mitte erklärt, dass es sehr kompliziert sei, dauerhaft eine Statue als Denkmal oder Mahnmal aufzustellen. Man hatte uns vorgeschlagen, bei der Kommission für Kunst im Stadtraum einen Antrag zu stellen, weil das relativ schnell und problemlos gehe. Unter Umständen könne man die Erlaubnis immer wieder verlängern. Wir wiesen schriftlich auf mögliche Konflikte mit Japan hin. Der Kommission gefiel unser Antrag.
Der Bezirk soll einen Standort 100 Meter entfernt angeboten haben. Warum lehnen Sie das ab?
Das hat die Bezirksbürgermeisterin über die Köpfe des Korea-Verbands und der betreffenden Wohngenossenschaft mitgeteilt. Unsere Friedensstatue auf privates Gelände abzuschieben wird dem nicht gerecht. Außerdem hätte es viel Geld gekostet, einen Zaun abzureißen sowie ein Fundament auszugießen. Für Betroffene wäre es zudem ein Schlag ins Gesicht, dass die Verantwortung für »sexualisierte Gewalt« wieder ins Private abgeschoben wird. Die Friedensstatue gehört allen.
Haben Sie Angebote aus anderen Bezirken bekommen?
Eines kam vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf. Unser Museum gehört zur Arbeit mit der Statue dazu, wir würden also insgesamt umziehen. Uns geht es darum, dass wir solchen Verbrechen an Mädchen und Frauen ein Ende setzen. Das können wir nur, wenn die Betroffenen laut ihre Stimmen erheben und auch gehört werden. Die Statue und unsere Arbeit werden von vielen Menschen und Organisationen geschätzt, sie geben ihnen Hoffnung. Dass sie uns entrissen wurde, so wie damals die Frauen und Mädchen ihren Familien entrissen und auf Lastwagen abtransportiert wurden, macht mich sprachlos und sehr traurig. »Ari« steht auch für den Mut der Überlebenden, die von Opfern zu Menschenrechtsaktivistinnen geworden sind.
Nataly Jung-Hwa Han ist seit 2012 Vorsitzende des Korea-Verbands e. V.
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