»Diese wichtige Arbeit muss erhalten bleiben«
Von Ina Sembdner
Sie sind in der AG Trostfrauen im Korea-Verband Berlin aktiv und haben vor fünf Jahren im Stadtteil Moabit eine sogenannte Friedensstatue errichtet. Nun soll das Mahnmal für die Betroffenen sexueller Versklavung durch Japan im Zweiten Weltkrieg verschwinden. Wieso?
Die Nutzung des öffentlichen Raumes ist eine Sondernutzung, und das Bezirksamt Mitte argumentiert, dass es sich um ein privates Kunstwerk handelt, das daher maximal zwei Jahre stehenbleiben kann. Nach zwei Jahren Duldung gab es im letzten Jahr die Anordnung, dass die Statue am 30. Oktober entfernt werden muss. Das konnten wir durch einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht erfolgreich verhindern, die Duldung wurde bis zum 28. September dieses Jahres verlängert. Das Gericht stellte auch fest, dass das Bezirksamt diese Verwaltungspraxis nicht konsequent angewandt hat und sie willkürlich gehandhabt wurde. Daraufhin wurde diese Regelung verschriftlicht. Aber jeder Bezirk hat Ermessensspielraum, und es gibt in Mitte einige private Kunstwerke, die länger als zwei Jahre im öffentlichen Raum stehen. Jetzt haben wir eine Abrissverordnung für den 7. Oktober. Wenn wir das nicht einhalten, müssen wir 3.000 Euro Strafe bezahlen.
Gibt es noch eine Möglichkeit, die Entfernung zu verhindern?
Das Bezirksamt hat vorgeschlagen, dass die Statue auf die Fläche einer Wohnungsgenossenschaft in der Nachbarschaft umzieht und die Kosten der Bauarbeiten dafür übernommen werden. Die Bezirksbürgermeisterin von den Grünen, Stefanie Remlinger, denkt, dass wir die Statue im öffentlichen Raum haben wollen, um die japanische Regierung zu verärgern. Dabei geht es uns um die Sache an sich: sexualisierte Gewalt nicht nur in Kriegen, sondern auch zu Friedenszeiten und im Alltag öffentlich zu diskutieren. Wir wollen nicht, dass dieses Thema aus der Öffentlichkeit in den privaten Raum verdrängt wird, und werden dagegen weiterhin gerichtlich vorgehen.
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil bestätigt, dass das Thema nur im öffentlichen Raum seine Wirksamkeit hat. Wir hoffen auf einen weiteren Erfolg, so dass die Statue dauerhaft an ihrem Standort bleiben kann, denn in der Nähe haben wir das Museum der Trostfrauen aufgebaut. Dort leisten wir aktiv Bildungs- und Aufklärungsarbeit, bekommen Besuch aus der ganzen Welt. Wir haben sehr viel in den Aufbau und die inhaltliche Gestaltung des Museums investiert, und diese wichtige Arbeit muss erhalten bleiben. Es gibt auch Angebote von anderen Bezirken in Berlin, und wir sind offen für Alternativen. Zum Beispiel in einer Institution, die sich mit dem Thema sexualisierte Gewalt auseinandersetzt, so dass man gemeinsam Bildungsarbeit und Aktionen organisieren kann. Eine Wohnungsgenossenschaft ist für uns keine Alternative.
Sie haben eben schon die japanische Regierung erwähnt. Welche Hinweise gibt es, dass im Hintergrund Einfluss genommen wird?
Vor fünf Jahren, unmittelbar nach Aufstellung der Statue, hat die japanische Regierung massiven Druck auf die Bundesregierung, auf die Berliner Senatsebene und dann auf das Bezirksamt ausgeübt. Und sie wollten die Statue vor fünf Jahren schon einmal entfernen. Es gab eine Abrissverordnung, wogegen wir vehement protestiert haben. Sie haben dann den Widerspruch zu der Bewilligung zurückgezogen und sie sogar noch ein Jahr verlängert. Danach wurde die Statue zwei Jahre lang geduldet. Es gab interne Diskussionen im Bezirksamt, aber im Mai 2024 flog der Regierende Bürgermeister Kai Wegner von der CDU im Rahmen der Städtepartnerschaft nach Tokio und traf dort die damalige japanische Außenministerin Kamikawa Yōko. Nach seiner Rückkehr ließ er als erstes die Pressemitteilung herausgeben, dass für die Friedensstatue eine Lösung gefunden werden müsse und bei der Lösungsfindung am runden Tisch auch die japanische Botschaft dabeisein sollte. Das war der Beginn des erneuten Konflikts mit dem Bezirksamt Mitte, weil Kunst im öffentlichen Raum in Berlin Bezirkssache ist.
Leben müssen damit die Anwohnenden. Wie haben sie auf die Friedensstatue und das Thema reagiert?
Die Reaktionen der Anwohnerinnen und Anwohner waren wirklich überwältigend. Sie fingen gleich am ersten Tag an, aus ihren eigenen Familie zu erzählen, dass ihre Mütter oder Tanten vergewaltigt wurden von den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg, oder auch von persönlich erlittenen Misshandlungen – Männer, die von ihren Vätern misshandelt wurden. Man verspürte gleich die Erleichterung, dass sie endlich öffentlich über das Thema sprechen können. Im vergangenen Jahr haben wir bei der Bezirksverordnetenversammlung einen Einwohnerantrag für den Verbleib der Statue erwirkt. Dafür mussten mindestens 1.000 Unterschriften gesammelt werden. Wir haben tatsächlich mehr als 3.000 Unterschriften geschafft. Alle haben mitbekommen, was wir an der Friedensstatue veranstalten. Zusammen mit Künstlerinnen wird gesungen und getanzt, migrantische und Frauenorganisationen kommen zu Wort …
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