USA wollen Quantencomputer
Von Luca von Ludwig
Der frühe Vogel fängt den Wurm, wie man so sagt. Und die USA haben es auf einen – wenn auch bisher eher theoretischen – Wurm abgesehen: Quantencomputer. Wie das Wall Street Journal (WSJ) am Donnerstag berichtete, erwägt das Weiße Haus, in bedeutendem Umfang in Unternehmen einzusteigen, die an der Hochleistungstechnologie arbeiten. Davon verspricht man sich langfristige Vorteile bei der Verfügung über Kapazitäten zur Datenverarbeitung.
Mindestens 10 Millionen US-Dollar soll es nach Wünschen der Industrie für jedes der Unternehmen geben, die sich zur Zeit in Gesprächen mit dem US-Handelsministerium befinden. Dazu gehören laut dem Wall Street Journal unter anderem die Konzerne Ion Q, Rigetti Computing und D-Wave Quantum. Letzteres Unternehmen behauptet von sich, 2011 den ersten kommerziell verfügbaren Quantencomputer herausgebracht zu haben, und konnte seither eine Reihe von Großinvestitionen – unter anderem des Amazon-Gründers Jeff Bezos und der CIA – verbuchen. Hauptkunden sind Unternehmen, die die Geräte zur Lösung anspruchsvoller physikalischer Berechnungen einsetzen, wie der Waffenproduzent Lockheed Martin.
Quantencomputer sind Computer, die die Gesetze der Quantenphysik nutzen, um ihre Berechnungen anzustellen. Dafür sind grundlegend andere Prozessortechnologien und ‑architekturen notwendig, als sie in handelsüblichen Chips zum Einsatz kommen. Auf der Kehrseite werden sie daher in der Praxis bisher auf die Lösung sehr spezifischer Probleme ausgelegt, was ihre generelle Anwendbarkeit erschwert. Dementsprechend ist Jubelmeldungen – wie die von Google vom Mittwoch, wonach ein Quantencomputermodell des Konzerns 13.000mal schneller sei als ein herkömmlicher – mit einiger Skepsis zu begegnen. Unbestritten ist jedoch, dass mit der Technologie hypothetisch erhebliche Geschwindigkeitsgewinne bei der Datenverarbeitung zu holen sind. Microsoft hatte Anfang des Jahres ferner erklärt, die Technologie liege nurmehr »Jahre, nicht Jahrzehnte« in der Zukunft.
Neben Vorteilen bei der zivilen Forschung, zum Beispiel im molekularmedizinischen Bereich, dürften die Staaten dieser Welt vor allem an Potentialen im Bereich der Waffenentwicklung und der Verschlüsselungstechnik interessiert sein. Ersteres liegt auf der Hand: Das moderne Kriegsgerät soll immer autonomer, langstreckentauglicher und präziser werden; dafür sind Fortschritte bei Fragen der Physik und Software notwendig. Bei der Kryptographie geht es vor allem um Möglichkeiten zur Entschlüsselung von Nachrichten. Moderne Verschlüsselungsverfahren setzen auf mathematische Gleichungen, die derart komplex gestaltet sind, dass sie ohne Kenntnis der korrekten Lösung von einem Computer nur schwer oder gar nicht aufgelöst werden können. Durch Quantenprozessoren würden sich die Zeitmaßstäbe deutlich verringern. Einige Onlinemessenger und andere Internetdienstleister setzen daher bereits gegen Quantencomputer abgesicherte Methoden ein. Europol richtete Anfang des Jahres einen »dringenden« Appell an Finanzinstitute, auf solche Varianten umzusteigen.
Die Gespräche zwischen US-Regierung und Konzernen stehen im Einklang mit zunehmenden Eingriffen der Trump-Administration in das heimische Konkurrenzgeschehen. Erst vergangene Woche kündigte das Finanzministerium an, dass sich der Staat stärker an Unternehmen beteiligen und seine Kaufkraft nutzen werde, um den Markt zu lenken. Schon in diesem Jahr war Washington mit zehn Prozent beim IT-Riesen Intel eingestiegen und hatte Mehrheitsanteile beim Spezialisten für seltene Erden MP Materials erlangt.
Dabei machen die USA die Rechnung aber wohl ohne den Wirt: Für Halbleiter benötigt man seltene Erden, deren größte Vorkommen in China liegen. Für sogenannte topologische Quantencomputer braucht es beispielsweise Gallium – das vom chinesischen Staat mit einem Ausfuhrverbot in Richtung USA belegt ist. Die jüngsten Eskalationen im Handelskrieg seitens des Westens dürfte die Volksrepublik zudem wohl nicht gerade als freundliches Kooperationsangebot interpretieren.
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