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Aus: Ausgabe vom 17.10.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Unternehmenspolitik

Gezielter Griff in den Markt

USA mischen sich stärker in heimisches Konkurrenzgeschehen ein. Preisuntergrenzen und Abnahmeverpflichtungen möglich. Seltene Erden im Fokus
Von Lars Pieck
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Eigentlich hält der US-Finanzminister den öffentlichen Sektor für ineffizient, aber für den Handelskrieg gegen China braucht er ihn dann doch (Washington, 15.10.2025)

Die Trump-Regierung will ihre Rolle in strategisch bedeutenden Wirtschaftsbranchen im Inland deutlich ausbauen. Finanzminister Scott Bessent kündigte am Mittwoch (Ortszeit) während des »Invest in America Forums« des Senders CNBC in Washington an, dass die Regierung künftig Beteiligungen an Unternehmen erwerben und wichtige Mineralien einlagern und ihre Kaufkraft nutzen wolle, um Unternehmensausgaben zu steuern.

Obwohl er den öffentlichen Sektor sonst als ineffizient kritisiert, betonte Bessent, der US-Staat müsse in fünf bis sieben Schlüsselbranchen aktiver werden, um der Konkurrenz durch China zu begegnen: »Im Umgang mit einer Nichtmarktwirtschaft wie China sind industriepolitische Maßnahmen notwendig«, meinte er. Konkret soll die US-Regierung künftig Schlüsselindustrien wie Pharma, Schiffbau, Halbleiter und Stahl gezielt fördern. Ferner soll eine strategische Mineralienreserve nach dem Vorbild der in den 1970ern aufgebauten »Strategic Petroleum Reserve« angelegt werden.

Seltene Erden, beispielsweise Gallium, werden für Magnete benötigt, die zentrale Komponenten von US-Waffensystemen wie den F-35-Kampfjet und die Tomahawk-Marschflugkörper sind. Um die Abhängigkeit von China zu verringern, bemüht sich die US-Regierung um eine eigene Lieferkette. Das Verteidigungsministerium schloss im Juli einen für die USA höchst ungewöhnlichen Vertrag mit MP Materials, dem größten US-Produzenten seltener Erden, der eine Kapitalbeteiligung, Preisgarantien und Abnahmevereinbarungen umfasst. Für 400 Millionen US-Dollar erwarb das US-Kriegsministerium einen Anteil von 15 Prozent an dem Rohstoffunternehmen. Geplant sind zudem weitere Preisuntergrenzen und Abnahmeverpflichtungen in verschiedenen Branchen.

Die Ankündigung aus Beijing in der vergangenen Woche, den Export seltener Erden zukünftig schärfer zu regulieren, verunsicherte die Finanzmärkte und führte zu einer scharfen Reaktion Trumps, der umgehend mit der Absage der für Ende Oktober geplanten Gespräche mit Xi Jinping beim APEC-Gipfel in Südkorea sowie mit 100 Prozent Strafzöllen auf chinesische Waren ab November drohte. Am vergangenen Sonntag zeigte sich Trump in sozialen Medien wieder versöhnlicher und deutete an, dass die angedrohten Zölle womöglich doch nicht umgesetzt würden. Das Treffen mit Xi sei »soweit bekannt« weiterhin geplant, erklärte Bessent, und betonte, die USA strebten keine »Entkopplung« von China an.

Bessent betonte die Dringlichkeit, die Förderung und Verarbeitung von Metallen der seltenen Erden im Inland zu stärken. Sie sind für Produkte wie Smartphones, Düsentriebwerke, medizinische Geräte und Elektromotoren unverzichtbar. Die geplanten Markteingriffe seien notwendig, um chinesischen Subventionen entgegenzuwirken. Beteiligungen an »nichtstrategischen Branchen« seien aber nicht vorgesehen. Angesichts der Entwicklungen in China müssten die USA ihre Versorgung sichern oder sich stärker auf Verbündete stützen, so der Finanzminister weiter. Die Investmentbank J. P. Morgan Chase investiere eine Milliarde US-Dollar in den Ausbau der Produktion bei MP Materials und strebe eine Kooperation beim Aufbau der nationalen Mineralreserve an, hieß es weiter.

Die Aktien von Bergbauunternehmen für seltene Erden und kritische Mineralien stiegen zuletzt, da Investoren auf künftige Subventionen spekulierten. Bessent deutete an, dass die Regierung Rüstungsfirmen dazu anhalten könnte, mehr in Forschung und weniger in Aktienrückkäufe zu investieren, da viele, wie der Luftfahrtkonzern Boeing, bei Lieferungen hinter dem Zeitplan lägen.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (17. Oktober 2025 um 11:00 Uhr)
    Der freie Markt auf Staatsdiät. Einst predigten die USA den freien Markt wie eine Religion. Unsichtbare Hand, natürliche Ordnung, göttliche Selbstregulierung – Amen. Der Staat, so hieß es, solle sich heraushalten, sonst verderbe er das Wunder. Nun aber, da der Glanz verblasst, die Fabriken schweigen und die Schulden lauter sprechen als die Hymne, wird der Glaube neu geschrieben. Plötzlich liebt man das, was man einst verdammte: Subventionen, Preisgarantien, Staatsbeteiligungen. Der Kapitalismus, erschöpft vom eigenen Wettbewerb, erhält nun Fürsorge auf Rezept. Finanzminister Bessent nennt es »strategische Industriepolitik«. Früher hieß so etwas Planwirtschaft – heute klingt es nach Patriotismus. Selbst das Pentagon kauft Minenanteile, als wolle es das Sowjetmodell in Uniform erproben. Der Markt steht inzwischen unter staatlicher Vormundschaft – selbstverständlich im Namen der Freiheit. Ironie der Geschichte: Der Hohepriester des Marktes sucht Heilung im Staat. Der Prediger der Effizienz bettelt um Protektion. Und während Amerika seine eigene Theorie dementiert, schwankt der Westen am selben Seil – zwischen Glaubenskrise und Realitätsverlust.

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