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Im Dreiviertelfuck

Von Pierre Deason-Tomory
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Die notwendige Fröhlichkeit: Johnann Strauss

Als kleiner Junge habe ich im Landestheater Salzburg festgestellt, dass es in der Musik im Großen und Ganzen ums Rumbumsen geht. Das lernte ich als Statist in Mozarts »Hochzeit des Figaro« und als Zuschauer der Strauss-Operette »Die Fledermaus«, die ich gleich mehrfach besuchte. Nicht wegen der ranzigen Anzüglichkeiten, sondern weil ich Franz Suhrada rasend komisch fand, der hier den Frosch gab, den depperten Gerichtsdiener (und später bei »Kottan ermittelt« den ebenso depperten Streifenpolizisten Schreyvogel). Ich amüsierte mich prächtig auf meinem Stuhl in der Seitenloge, allein die Musik hat mir arg missfallen, was ich jedoch verschwieg, weil ich nicht mit Beton an den Füßen in der Salzach baden wollte.

Offenkundig rühren noch heute die Melodien von Johann Strauss an das weinerliche Gemüt der kaiserverwaisten Österreicher. Zu seinem zweihundertsten Geburtstag wird am Sonnabend gleich das ganze Radioprogramm von Ö 1 vergeigt. Neun Sendungen sind ihm gewidmet, darunter das Feature »Wien um 1900. Oder: die notwendige Fröhlichkeit des Johann Strauss« (9.05 Uhr), das »Johann-Strauss-Geburtstagskonzert« der Wiener Philharmoniker live aus dem Großen Musikvereinssaal (15.30 Uhr), das Stück »Johann Strauss – zwischen Ost und West« über den Erfolg seiner Musik in der UdSSR und den USA (18 Uhr) sowie die Direktübertragung der Operette »Eine Nacht in Venedig« aus der Volksoper Wien (19 Uhr), in der sich natürlich auch alles ums Schnackseln dreht. Quasi im Dreiviertelfuck.

Weitere Programmvorschläge: HR 2 Kultur übernimmt ab Mittwoch Konzerte des »56. Deutschen Jazzfestivals Frankfurt« (Mi., Do., Sa., 19.04 Uhr, Fr., 20.04 Uhr). Das »Zeitfragen-Feature« am Donnerstag besucht »Das Grab der grünen Insel« und findet Kinderleichen im Keller katholischer Heime (19.30 Uhr, DLF Kultur). Im »Bayern 2-Salon« startet der sechsteilige Podcast »Nicht Mehr Mein Land« über den Krieg von »Gutmenschen« und »Wutbürgern« mit sich selbst und gegeneinander (BR 2025, Fr. ab 20.03 Uhr).

Der Titel der folgenden Sendung und der Familienname des Autors klingen wie die Wiederholung einer Vorkriegsschulfunksendung: »Namibia für Anfänger. Den Kolonialismus im Blick (1/2)«. Es handelt sich um einen Reisebericht des Gartenbaukunstexperten Hans von Trotha (DLF 2025, Ursendung, Fr., 20.05 Uhr). Das »WDR 3 Kulturfeature« nimmt Müll in den Blick: »Go for trash! – Der Aktionskünstler HA Schult« (WDR 2025, Sa., 12.04 Uhr, So., 15.04 Uhr). In »Spenden für Terror« folgen Joseph Röhmel und Niklas Eckert den Spuren, die die Finanztransaktionen bärtiger Halsabschneider in der BRD hinterlassen (BR 2025, Sa., 13.05 Uhr, So., 20.03 Uhr, Bayern 2).

Was passiert, wenn ein Stuttgarter Bahnhof und ein Berliner Flughafen mit anderen Wahrzeichen deutscher Unfähigkeit eine Selbsthilfegruppe bilden, zeigt das Hörspiel »Ich als Großprojekt« von Thomas Wolfertz (WDR 2015, Sa., 19.04 Uhr, WDR 3). Das Freie Dresdner Coloradio bringt eine Sondersendung über das diesjährige »Morphonic Lab XXIV: Improvokation« am 1. November, bei dem 40 Künstler gemeinsam improvozieren werden (So., 14 Uhr).

Am Sonntag schließlich stehen diese zwei Stücke auf dem Hörspielplan: Das Roadmovie »Bilder deiner großen Liebe«, in dem Wolfgang Herrndorf das Mädchen Isa aus seinem früheren Roman »Tschick« begleitet (BR 2019, 15.05 Uhr, Bayern 2), und der Krimi »Sarah Jane (1/2)« von James Sallis über das trübselige Dasein einer Polizistin mit dunkler Vorgeschichte in der US-amerikanischen Provinz (NDR 2022, 19.04 Uhr, NDR Kultur).

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