Trumps Schmierenkomödie
Von Helga Baumgarten, Jerusalem
US-Präsident Donald Trump hat den Frieden ausgerufen: zuerst im Weißen Haus, dann in der Knesset und zuletzt beim »Friedensgipfel« in Scharm Al-Scheich. Die Menschen in Ostjerusalem und in der Westbank saßen vor dem Fernseher und trauten ihren Augen nicht: Trump stand auf der Bühne und ließ die versammelten Staatschefs einen nach dem anderen zu sich pilgern, um mit ihm ein Foto zu knipsen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hätte Trump, so schien es, am liebsten zärtlich umarmt und geküsst. Mahmud Abbas von der Palästinensischen Nationalbehörde in Ramallah, der erst in letzter Minute eingeladen worden war, kam in Erwartung intensiver Verhandlungen. Er war kaum zu stoppen, bis ihn Trump schließlich »abschob«. Alles eine einzige unsägliche Schmierenkomödie, die ihresgleichen sucht in der internationalen Politik.
Derweil bejubelten Zehntausende Israelis in Tel Aviv die Heimkehr der letzten 20 freigelassenen Geiseln. Überwältigend die Freude ihrer Familienangehörigen. Den Familien der Gefangenen in der Westbank und in Ostjerusalem hatte die israelische Besatzungsarmee das Feiern verboten und ihnen gedroht, Verstöße mit Verhaftungen und Angriffen zu bestrafen. Als ich gegen 11.30 Uhr auf dem Weg nach Ramallah am berüchtigten Gefängnis Ofer nördlich von Jerusalem vorbeifuhr, war noch nichts zu sehen von einer bevorstehenden Freilassung. Erst nach zwölf Uhr trafen die Busse mit den Gefangenen am Kulturzentrum in Ramallah ein. Viele waren entsetzt, weil ihre Verwandten nicht in einem der Busse saßen, und erfuhren erst jetzt, dass ihre Angehörigen direkt nach Ägypten abgeschoben worden waren. Groß die Enttäuschung, weil die bis zur letzten Minute geführten Verhandlungen zwischen der Hamas und den Vermittlern nicht zur Freilassung von Marwan Barghuthi (Fatah) und Ahmed Saadat (PFLP) geführt hatten. Fadwa Barghuthi, Marwans Ehefrau, betonte, dass ihr Mann vor allem das Ende des Kriegs in Gaza und der Verbrechen gegen die Menschen dort wolle, »für Gaza, für Palästina, für unser Volk«. Sie schloss: »Wir alle warten auf dich, ich selbst, die Familie und das gesamte Volk. Alle lieben dich, und wir wissen, dass du dein Volk liebst.«
Und die Gewalt geht weiter: Das kleine Dorf Beitin, zwischen Ramallah und Birzeit gelegen, wurde von Siedlern attackiert, die von der Armee flankiert wurden. Dasselbe im Flüchtlingslager Dheisheh bei Bethlehem. Noch immer halten israelische Streitkräfte rund die Hälfte des Gazastreifens besetzt und erschießen jeden – allein am Dienstag sieben Menschen –, der in ihre Nähe kommt, also nach Hause will. Endlich wieder in ihren Stadtvierteln oder Flüchtlingslagern angekommen, können viele Palästinenser ihren Augen nicht glauben: Zerstörung, soweit das Auge reicht. Anstatt jetzt, wie in Trumps »Friedensplan« vorgesehen, Hilfsgüter ununterbrochen und in großem Umfang nach Gaza hereinzulassen, hält Israel an seiner menschenverachtenden Politik fest: Viel zu wenige Lastwagen mit Nahrungsmitteln, Medizin, Zelten und Fertighäusern dürfen die Grenze passieren.
Seit Dienstag übt Israel wieder, was es »Vergeltung« nennt. Weil noch nicht alle getöteten Geiseln an Israel übergeben worden sind, müssen zwei Millionen Menschen bestraft werden. Dabei weiß jeder, dass Zehntausende Palästinenser noch unter den Trümmern begraben liegen. Genauso einige der 24 noch verbliebenen Geiseln, die man kaum finden wird, solange die Waffen nicht schweigen. Das Rote Kreuz und die Vermittler haben darauf klar verwiesen. Aber das völkermörderische Regime in Jerusalem schert das wenig. Am späten Dienstag abend hieß es, dass vier weitere tote Geiseln an das Rote Kreuz übergeben worden seien. Und die jüngste Meldung von Mittwoch früh: Netanjahu hebt die Vergeltungsmaßnahmen auf und lässt wieder Lastwagen über die Grenze. Am Abend sollen wieder vier Leichen nach Israel gebracht werden. Was bleibt den Palästinensern als die Hoffnung: auf ein Ende der israelischen Gewalt, auf Nahrung, Wasser, Medizin und Wiederaufbau ihrer Häuser in Gaza, auf Freiheit und Selbstbestimmung.
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