Bis es knallt
Von Reinhard Lauterbach
Das Spiel der Drohungen und Gegendrohungen um die eventuelle Lieferung von »Tomahawk«-Marschflugkörpern an die Ukraine zeigt das enorme Eskalationsrisiko, das in einer solchen Lieferung läge. Der russische Expräsident Dmitri Medwedew hat es klipp und klar formuliert: Wenn so ein »Tomahawk« in der Luft ist, könne man nicht mehr unterscheiden, ob er nuklear oder konventionell geladen sei. Soll heißen: Russland müsse vom Schlimmsten ausgehen und entsprechend reagieren.
Dieses Risiko ist, wie es scheint, auch US-Präsident Donald Trump bewusst. Deshalb versucht er, aus der Lieferung ein politisches Druckmittel zu machen: Er könne, hat er am Sonntag gesagt, der Ukraine die »Tomahawks« geben, wenn sich Russland nicht bereitfinde, den Krieg zu – aus seiner Wahrnehmung – ungünstigen Bedingungen zu beenden. Bedingungen, die sich nicht aus der Lage auf dem Schlachtfeld ergeben und die bedeuten würden, dass Moskau sein politisches Kriegsziel einer Neutralisierung der Ukraine und des Stopps der NATO-Expansion nach Osten verfehlt hätte.
Dass die Ukraine die Lieferung der »Tomahawks« verlangt, erbittet, erfleht, ist aus ihrer Perspektive nachvollziehbar. Sie weiß, dass der Krieg auf konventionellem Wege wohl nicht mehr zu ihren Gunsten zu entscheiden ist. Also muss aus ihrer Sicht eskaliert werden, indem der »große Bruder« unmittelbar involviert wird. Genauso nimmt Russland die »Tomahawk«-Frage wahr: Die Raketen könnten ohne direkte Beteiligung von US-Militärs nicht programmiert und abgefeuert werden. Und wieder: Trump scheint dieses Risiko zu kennen und es nicht so eingehen zu wollen, dass die USA dafür direkt haftbar zu machen sind. Daher der mögliche Umweg über eine Lieferung der Marschflugkörper an die NATO, die sie dann weiter an die Ukraine liefern könnte. Ob irgend jemand diese Tour glaubt, ist unwesentlich. Russland tut es definitiv nicht.
Trumps öffentliches Zögern zeigt aber, dass der bisher eher als Klabautermann in Erscheinung getretene US-Präsident am Ende weitsichtiger sein könnte als seine europäischen Gefolgsleute. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und sie kann sich rational auf ein Argument stützen: die Tatsache, dass der Ukraine-Krieg für die USA kein Streit um ein Stück Land ist, sondern ein instrumentell angeheizter Konflikt, der prinzipiell ebenso wieder deeskaliert werden könnte.
Was die ganze Debatte ebenso zeigt: Vor die Alternativen Eskalation oder Blamage gestellt, sind Teile der Eliten im Westen und wohl auch in Russland bereit, auf die Eskalation zu setzen. Ganz ohne Gesichtsverlust wird dieser Krieg vor allem politisch nicht zu beenden sein. Wladimir Putin würde, wenn er jetzt einlenkt, seiner Öffentlichkeit erklären müssen, wozu er die Soldaten in den Tod geschickt hat. Und der Westen der seinen, wozu er die vielen Milliarden in der Ukraine verpulvert hat.
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Immer wieder: Wer hat angefangen? Und wer eskaliert? Den Eliten Russlands hinter W. W. Putin blieb, im Gegensatz zur »kapitulantischen«, stark prowestlichen Oligarchie, kein anderer Weg, als mit der »Spezial-Militäroperation« die »Rückeroberung« von Donezk und Lugansk durch »Kiew« zu verhindern und der Krim ihren russischen Charakter zu sichern. (Weiß überhaupt noch jemand, dass und wie die »Krimtschanje« 2007 – unter Präsident Juschtschenko – die sukzessive Übernahme der Halbinsel durch die USA-Navy bekämpften?) Putin als ihr Werkzeug gehorcht damit dem Willen der Mehrheit der Russen, das ist überhaupt kein eigenes »Setzen auf Eskalation«.