Abschießen und angreifen
Von Arnold Schölzel
Täglich neue verbale Eskalation im Westen: Am Montag begann in Warschau ein zweitägiges Sicherheitsforum, an dem zahlreiche NATO- und EU-Politiker teilnehmen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) rief dort in einer kurzen Erklärung die NATO-Verbündeten zu verstärkten Anstrengungen bei der Luftverteidigung auf. Denn: »Russland wird für die NATO mehr und mehr zur Gefahr.« In einer anschließenden Diskussionsrunde, an der unter anderem der EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius teilnahm, forderte dieser erneut einen »Drohnenwall« an der Ostgrenze des NATO-Gebiets. Die Frage sei berechtigt, warum dies nicht schon Monate oder Jahre zuvor angegangen worden sei. Offenkundig werde erst in der Not entschlossen gehandelt.
Am Sonntag (Ortszeit) hatte zuvor der US-Ukraine-Beauftragte Keith Kellogg im US-Fernsehsender Fox News auf die Frage, ob US-Präsident Donald Trump Angriffe der Ukraine auf russisches Territorium mit US-Waffen genehmigt habe, geantwortet: Aufgrund der Äußerungen, die er von Trump, Vizepräsident J. D. Vance und Außenminister Marco Rubio »gelesen« habe, »ist die Antwort: ja«. Kellogg erklärte weiter: »Nutzt die Fähigkeit, tief zuzuschlagen. So etwas wie sichere Rückzugsorte gibt es nicht.« Kiew habe »keine unantastbaren Gebiete«, wenn es um Ziele innerhalb Russlands gehe. Auf die Frage, ob auch »Tomahawk«-Marschflugkörper an die Ukraine geliefert werden sollen, erklärte Kellog, die Entscheidung sei noch nicht gefallen: »Aber ich weiß, dass Selenskij sie angefordert hat.« Vance sagte seinerseits auf Fox News, die US-Regierung berate derzeit darüber, »Tomahawks« an europäische Verbündete zu liefern, um sie anschließend an Kiew weiterzuleiten. Trump werde in dieser Frage die »endgültige Entscheidung« treffen. Bisher hatte der US-Präsident die Anfragen der Ukraine danach zurückgewiesen. Die Marschflugkörper können je nach Modell Ziele in einer Entfernung von 1.300 bis 2.500 Kilometern erreichen.
Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidenten, erklärte dazu am Montag: »Unsere Militärspezialisten beobachten dies aufmerksam.« Es gebe aber gegenwärtig »kein Wundermittel (›Panazee‹), das die Situation an der Front für das Kiewer Regime ändern kann«. Die Frage sei nach wie vor: »Wer darf diese Raketen abfeuern, wenn sie sich auf dem Territorium des Kiewer Regimes befinden? Dürfen nur Ukrainer sie abfeuern, oder sollte das amerikanische Militär dies tun? Wer kontrolliert die Zielerfassung dieser Raketen?«
Zur Eröffnung des Warschauer Sicherheitsforums hatte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk zum Ukraine-Krieg mehrfach betont: »Dieser Krieg ist auch unser Krieg.« Russlands Angriff sei Teil eines politischen Vorhabens, andere Völker zu unterwerfen. Es gehe um die Verteidigung der »westlichen Zivilisation« gegen »despotische Barbarei«: »Wenn wir diesen Krieg verlieren, werden die Folgen nicht nur unsere Generation betreffen, sondern auch die nächste Generation in Polen, Europa, den USA und überall auf der Welt.« Nun seien die USA »dauerhaft und stärker« in diesen Krieg verwickelt, daher könne ihn die Ukraine gewinnen.
Pistorius reiste am Nachmittag nach Litauen weiter. In der Stadt Rukla wurde ein Logistikzentrum für die dort dauerhaft stationierte deutsche Kampftruppenbrigade übergeben. An diesem Dienstag öffnet in der Hauptstadt Vilnius eine deutsche Schule für die Kinder der Soldatenfamilien.
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