Wadephul lädt ein
Von Philip Tassev
Der deutsche Imperialismus mag in der Krise stecken, aber in Zynismus und Heuchelei ist er nach wie vor Weltmeister. Nachdem israelische Truppen – auch mit politischer Rückendeckung, Kriegsgerät und Munition aus der BRD – den Gazastreifen in eine unbewohnbare Trümmerlandschaft verwandelt haben, will sich nun ausgerechnet die Bundesregierung an die Spitze des Wiederaufbaus der zerstörten Küstenenklave setzen. Das hat BRD-Außenminister Johann Wadephul am Mittwoch verkündet. In seiner Rede im Bundestag sagte der CDU-Mann, er habe mit seinem ägyptischen Amtskollegen vereinbart, »dass wir gemeinsam als Ägypten und Deutschland eine Wiederaufbaukonferenz für Gaza ausrichten«.
Eine solche Konferenz sei »der nächste notwendige Schritt«, legte Wadephul am Donnerstag am Rande einer EU-»Westbalkankonferenz« im britisch besetzten irischen Belfast nach. »Das wird aber eine politisch breiter angelegte Konferenz sein müssen, die auch den politischen Rahmen mit vorzeichnet für den Gazastreifen und die natürlich immer im Blick hält, dass am Ende eine Zweistaatenlösung wird stehen müssen«, erklärte er. Das für den Abend geplante Treffen von arabischen und europäischen Vertretern in Paris sei ein Teil dessen, was jetzt gebraucht werde, sagte Wadephul, fügte jedoch hinzu: »Aber Israel fehlt am Tisch, und Israel gehört an den Tisch.«
Das Treffen in der französischen Hauptstadt soll »die Arbeit an der Umsetzung des Friedensplans und des Rahmens für den ›Tag danach‹ ermöglichen, indem es die Aspekte einer kollektiven Verpflichtung konkretisiert«, heißt es von seiten des französischen Außenministeriums. Palästinensische Vertreter sind nicht eingeladen, seien aber »informiert« worden. So möchte es Wadephul mit seiner »Wiederaufbaukonferenz« offenbar ebenfalls handhaben. Mit einem Unterschied: Die Konferenz, zu der die BRD und Ägypten einladen wollen, »muss eine sein, wo Israel und die Vereinigten Staaten dabei sind«.
Zur Absicherung der Pläne wünscht sich Wadephul zudem ein Mandat der Vereinten Nationen. »Wir brauchen einen rechtlichen Rahmen für all das, was jetzt im Gazastreifen stattfindet.« Es brauche eine »Sicherungstruppe«, »die dafür sorgt, dass Sicherheit im Gazastreifen herrscht und dass auch aus dem Gazastreifen hervor keine Gefahren mehr für Israel ausgehen«. Gebraucht werde außerdem eine »handlungsfähige« – sprich: gehorsame – Verwaltung in Gaza. »Für all das ist aus meiner Sicht ein Mandat des UN-Sicherheitsrates wünschenswert.«
Großkonzerne wie die Heidelberg Materials AG dürften sich darüber freuen, wenn es der BRD tatsächlich gelingt, sich beim Wiederaufbau Gazas an vorderer Stelle zu plazieren. Schon jetzt ist die ethnische »Säuberung« Palästinas ein profitables Geschäft, wie ein Bericht zeigt, den die UN-Sonderbeauftragte Francesca Albanese im Juni veröffentlichte. Neben Microsoft, Amazon, Caterpillar, Hyundai und Volvo wird dort auch der deutsche Konzern genannt. Heidelberg Materials habe über die Tochterfirma Hanson Israel »zur Plünderung von Millionen Tonnen Dolomitgestein aus dem Steinbruch Nahal Raba beigetragen, auf Land, das palästinensischen Dörfern im Westjordanland weggenommen wurde«. Das abgebaute Gestein wird dem Bericht zufolge schon seit 2018 für den Bau von illegalen Siedlungen verwendet.
Zentrale Motivation der Bundesregierung ist aber vermutlich, den aus der bedingungslosen Unterstützung von Israels Krieg resultierenden Ansehens- und Einflussverlust Berlins in der arabischen Welt zumindest teilweise wieder auszugleichen. Das Locken mit Milliardenaufträgen könnte bei den ägyptischen Baufirmen und am Golf sicherlich die gewünschte Wirkung entfalten. Ob sich die Bevölkerung davon beeindrucken lässt, darf bezweifelt werden.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (10. Oktober 2025 um 11:42 Uhr)Gaza bildet eine einzige riesige Goldmine, die noch lange nicht erschöpfend geplündert ist. Bereits die totale Zerstörung brachte den Rüstungskonzernen Milliardenprofite. Die Räumung und der »Wiederaufbau« werden wiederum noch gigantischere Erlöse erbringen. Mit der anschließenden Neubesiedlung wird dann ein nicht mehr abreißender Rendite-Strom etabliert werden. In der kapitalistischen Wirtschaftstheorie nennt man das »produktive Zerstörung«.
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