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Aus: Ausgabe vom 20.09.2025, Seite 11 / Feuilleton
Medien

Platz für Quatsch

Kulturkämpfe leicht gemacht: Julia Ruhs und die Meinungsfreiheit
Von Peter Merg
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Her mit dem Gerhard-Löwenthal-Preis: Julia Ruhs

Es stürmt in der deutschen Medienlandschaft. Der Auslöser: die Trennung des Norddeutschen Rundfunks (NDR) von der Journalistin Julia Ruhs. Führende Politiker von CDU und CSU überbieten sich in ihrer Kritik. Wogegen sich am Freitag der Deutsche Journalistenverband (DJV) verwahrte: »Die Einmischung in Personalfragen geht eindeutig zu weit«, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. Tatsache sei, »dass Julia Ruhs nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk rausgeschmissen wird, sondern weiterhin das Format ›Klar‹ moderieren darf – im Wechsel mit anderen Kolleginnen und Kollegen«.

NDR und Bayerischer Rundfunk (BR) hatten am Mittwoch mitgeteilt, dass Ruhs das Format »Klar« nicht mehr beim NDR moderieren werde, sondern nur noch beim BR. Eine Steilvorlage für die politische Rechte, die – wie Ruhs selbst – einen neuen Fall von »Cancel Culture« wittert. Schließlich wurden in der Sendung »kontroverse Themen« aufgegriffen, konkret Zuwanderung, Corona und der »Frust der Bauern«. Was Linken wie Liberalen gleichermaßen aufstieß, der unvermeidbare Jan Böhmermann etwa schimpfte: »rechtspopulistischer Quatsch«.

Womit er wohl recht haben dürfte, doch fragt sich, ob die Programmverantwortlichen in Hamburg nicht wussten, was derlei Entscheidungen in der heutigen Erregungsökonomie bedeuten. Unionsfraktionschef Jens Spahn griff dankbar zu und nannte die Trennung »sehr problematisch«. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erkannte »kein gutes Signal«. Carsten Linnemann schließlich, CDU-Generalsekretär und Experte für Diskursanalyse, sah einen »neuen Tiefpunkt in Sachen Debattenkultur in Deutschland« erreicht und verwertete das Zuspiel der Kollegen: Rundfunkgebühren einfrieren, forderte er, »damit endlich Druck entsteht, damit Reformen passieren«.

Was, wie Beuster kommentierte, »pure Erpressung« wäre und eine Verletzung der Rundfunkfreiheit. Mehr Rückendeckung als vom DJV kann der NDR dennoch nicht erwarten, den Sozen ist es die Sache nicht wert. Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) plädierte salomonisch für Meinungsfreiheit, und selbst Linke-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek sagt dem Spiegel: »Es ist halt wirklich hochproblematisch, wenn auf Druck von irgendeiner Seite etwas abgesetzt wird.«

Die Nerven liegen schon länger blank in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Doch wenn man beschließt, eine junge Anwärterin auf den Gerhard-Löwenthal-Preis ins Programm zu nehmen, sollte man schon bereit sein, ihr auch den Raum für ihren Sermon zu geben. Sie in einer Situation permanenter politischer Erregungsbereitschaft gleich wieder abzusägen – das ist Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

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