Dänemark geht in die vollen
Von Reinhard Lauterbach
Dänemark will sich nicht mehr mit seiner Rolle als NATO-Wächter über die Ostseeausgänge begnügen. Regierungschefin Mette Frederiksen kündigte im Gespräch mit dem staatlichen Radiosender DR am Mittwoch an, das Land werde für umgerechnet knapp acht Milliarden Euro Langstreckenwaffen europäischer Produktion kaufen. Ziel sei, einen Beitrag zur Abschreckung Russlands leisten zu können. Die dänische Armee solle in die Lage versetzt werden, »Ziele in großer Entfernung zu treffen und beispielsweise die Bedrohung durch feindliche Raketen zu neutralisieren«. Um welche Systeme es sich handelt, wurde zunächst nicht bekannt. Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen erklärte, es handle sich zunächst um eine Grundsatzentscheidung. Sein Land werde jetzt prüfen, welche der in Europa bereits existierenden oder vor der Anschaffung stehenden Systeme seinen Bedürfnissen am besten entsprächen.
Der russische Botschafter in Kopenhagen, Wladimir Barbin, nannte die Ankündigung in einem Telegram-Beitrag »schieren Wahnsinn«. Es sei noch nie vorgekommen, dass jemand eine Atommacht öffentlich bedrohe. Dies werde mit Sicherheit in Moskau berücksichtigt werden. Russland müsse fortan »davon ausgehen, dass Dänemark nicht nur die Möglichkeit einer direkten militärischen Konfrontation mit Russland in Betracht zieht, sondern sich auch auf ein solches Szenario vorbereitet«. Aus Dänemark abgefeuerte Raketen, Drohnen oder Marschflugkörper könnten nach Lage der Dinge vor allem das Gebiet von Kaliningrad bedrohen, über dessen Eroberung in NATO-Kreisen immer hörbarer nachgedacht wird.
Auf dem ukrainischen Kriegsschauplatz setzte Russland seine Angriffe auf die Transportinfrastruktur des Landes fort. In der Nacht zum Donnerstag wurden am Bahnknotenpunkt Mirgorod im Bezirk Poltawa für die Stromversorgung erforderliche Transformatoren zerstört. In den Nächten zuvor hatten ähnliche Schläge Ziele westlich des Dnipro getroffen. Die ukrainische Bahn setzte als Ersatz für die ausgefallene Stromversorgung Dieselloks ein. Viele Personenzüge fielen gleichwohl aus oder mussten umgeleitet werden. Das der KPRF nahestehende Portal svpressa.ru schrieb, die Angriffe auf die Transportinfrastruktur seien erst jetzt hochgefahren worden, weil Russland in der Vergangenheit immer gehofft habe, über die Ukraine noch bestimmte Produkte nach Westeuropa exportieren zu können. Diese Möglichkeit sei jetzt weggefallen und damit auch der Grund für die Schonung des Bahnnetzes. In der Ukraine wurden die Angriffe auf die Bahninfrastruktur als Hinweis auf eine womöglich bevorstehende russische Großoffensive kommentiert. Vor deren Beginn liege es im russischen Interesse, den Nachschub der ukrainischen Armee zu erschweren.
An der Front ging der russische Vormarsch vor allem im Gebiet Dnipropetrowsk weiter. Ziel der Operationen dort sei offenkundig, die ukrainischen Verteidigungsstellungen im Gebiet Saporischschja zu umgehen und den Zusammenbruch der dortigen Front zu erreichen. Über die Lage vor Pokrowsk verbreiten auch russische Medien widersprüchliche Darstellungen. Einige Quellen schrieben, Pokrowsk sei bereits eingeschlossen, andere räumten ein, dass die ukrainischen Soldaten in den Ruinen der Stadt »professionell und motiviert« kämpften.
Die Ukraine weitete ihrerseits den Radius ihrer Drohnenangriffe auf Ziele der russischen Ölverarbeitung aus. Russische Onlinemedien berichteten in dieser Woche über Angriffe auf Wolgograd und die im Uralgebiet liegenden Städte Orenburg, Ufa und Perm. Diese sind etwa 1.500 Kilometer von der Front entfernt. Offizielle Meldungen, wonach der Angriff auf die Raffinerie in Orenburg vom Wachschutz des Werks mit Gewehrfeuer abgewehrt worden sei, wurden als Hinweis auf fehlende oder mangelhaft organisierte Luftabwehr in der Region kommentiert.
In Belarus ist unterdessen das Manöver »Sapad-2025« nach vier Tagen planmäßig beendet worden. Auch ukrainische Medien berichteten, Russland ziehe seine an der Übung beteiligten Einheiten planmäßig zurück. Provokationen in Richtung Ukraine habe es nicht gegeben.
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