»Der erste Schritt für eine Verankerung ist gemacht«
Interview: Max Ongsiek
Das höchste Ergebnis bei den Kommunalwahlen in NRW erzielten am Sonntag CDU und SPD mit 33,3 Prozent bzw. 22,1 Prozent. Die Linke erreichte 5,6 Prozent. Die AfD konnte ihr Ergebnis um 9,4 Punkte auf 14,5 Prozent steigern. In Duisburg, Gelsenkirchen und Hagen stehen ihre Kandidaten in der Stichwahl. Wie erklären Sie sich diesen Ausgang, vor allem den Zugewinn der AfD?
Auch das jetzige Wahlergebnis unterstreicht, was wir schon lange vertreten: Brandmauern und Verbotsdebatten werden die AfD nur stärken. Wir brauchen endlich eine Politik, die sich an den Interessen, Wünschen, Ängsten und Sorgen der Bevölkerung orientiert.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht erreichte 1,1 Prozent. Welche Rolle spielte die fehlende BSW-Parteistruktur?
Die Zahl ist nicht sehr aussagekräftig, da wir als BSW gar nicht flächendeckend angetreten sind. Wir mussten 30.000 Unterstützungsunterschriften sammeln, um auch nur in 60 Prozent aller Großstädte und Kreise antreten zu dürfen. Vor dem Hintergrund der enormen Behinderungen, mit denen man als neue Partei bei einem Antritt zur Kommunalwahl in NRW zu kämpfen hat, können wir mit unserem Ergebnis bedingt zufrieden sein. In fast allen Städten und Kreisen, in denen wir angetreten sind, konnten wir auch kommunale Mandate erringen. Wir hätten uns selbstverständlich ein besseres Ergebnis gewünscht, aber man muss berücksichtigen, dass es unser erster kommunaler Wahlantritt in NRW war.
Das BSW ist in 16 Kreisen und 16 Großstädten angetreten. Wo hat die Partei am besten abgeschnitten?
Unsere besten Ergebnisse haben wir zu unserer eigenen Überraschung in einigen ländlichen Gemeinden erzielt: mit 3,7 Prozent in Vreden im Kreis Borken und sogar 5,8 Prozent im oberbergischen Lindlar. Wichtig ist, dass wir in Großstädten wie Bochum, Dortmund, Duisburg, Hagen, Herne, Köln und Wuppertal jeweils in Gruppenstärke in die Räte eingezogen sind. Das BSW hat in Nordrhein-Westfalen 57 Mandate errungen. In 44 Kreisen, Städten und Gemeinden sowie etlichen Bezirksvertretungen werden wir uns in den kommenden Jahren für bezahlbaren Wohnraum, bessere Bildungschancen, mehr Ärzte und gute Jobs in ausreichender Zahl einsetzen.
Laut Umfragen von Infratest Dimap waren Wirtschaftspolitik, »Einwanderung, Integration« und »öffentliche Sicherheit« für die Wahlentscheidung ausschlaggebend. Warum konnte hier das BSW nicht überzeugen?
Wir werden aktuell von den Medien geschnitten, so dass wir mit unseren Themen nicht so durchdringen, wie wir es uns wünschen. Wir arbeiten daran, über die sozialen Medien eigene Kanäle aufzubauen, aber das braucht seine Zeit. Dass der Wahlausschuss eine Neuauszählung der Bundestagswahl verschleppt, tut sein übriges. Wir sind überzeugt, dass das BSW in Wahrheit die Fünfprozenthürde geknackt hat. Im Bundestag vertretene Parteien dringen mit ihren Themen entsprechend stärker durch.
Welche Konsequenzen zieht das BSW aus der Kommunalwahl?
Auch wenn wir insgesamt nicht zufrieden sind mit dem Ergebnis, ist der erste Schritt für eine Verankerung in NRW gemacht. Was uns Mut macht, ist das herausragende Engagement unserer Parteibasis im Wahlkampf: Infostände durchführen, Plakate aufhängen, Veranstaltungen organisieren, Flyer verteilen. Unsere Partei und ihre Strukturen wachsen, Kreisverbände sind und werden gegründet. Und das ist erst der Anfang. Wir werden bis Ende des Jahres Tausende Mitglieder aufnehmen. Bereits am 27. September werden wir auf einer Konferenz mit allen Kreisvorsitzenden und unseren kommunalen Mandatsträgern den weiteren Aufbau der Partei beraten.
Amid Rabieh ist Landesvorsitzender des BSW in NRW und stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei
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Personalressourcen: Die Personaldecke war zu dünn, um die vielfältigen Aufgaben eines Wahlkampfes angemessen zu bewältigen. Die Aufnahmepolitik war zu restriktiv, wodurch potenzielle neue Mitglieder nicht eingebunden wurden. Aus Angst vor schwierigen Diskussionen wurde auf wertvolle Expertise von Fachleuten verzichtet.
Inhalte und Themenwahl: Es wurde zu viel Wert auf überregionale Themen wie Rente oder Krieg gelegt. Die kommunalen Probleme vor Ort gerieten in den Hintergrund, obwohl die Wählerinnen und Wähler gerade bei Kommunalwahlen konkrete Antworten auf lokale Herausforderungen erwarten.
Kandidaten und Integration in die Wahlkreise: Die Kandidaten waren in ihren Wahlbezirken nicht ausreichend sichtbar und verankert. Persönliche Steckbriefe, Plakate oder Vorstellungsrunden hätten helfen können, die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern zu stärken.
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Die Pressearbeit verlief nicht optimal, und es wurde zu wenig investiert. Die Sichtbarkeit und Reichweite in der Öffentlichkeit waren unzureichend.
Erkenntnisse und Lehren für die Zukunft: Mutiger in der Mitgliederaufnahme sein und eine breitere Basis schaffen. Mehr Fokus auf lokale Themen legen, die den Alltag der Menschen betreffen. Kandidaten sichtbarer machen und stärker in den Bezirken verankern. Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit professioneller und vielfältiger gestalten.
Auch wenn die Niederlage schmerzhaft ist: Aus einer ehrlichen Analyse ergeben sich die besten Chancen für einen Neuanfang. Die hier genannten Punkte sollten als Grundlage für zukünftige Strategien dienen. Nicht auf andere zeigen, sondern eigene Fehler benennen, dann klappt es bei den nächsten Wahlen.