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Aus: Ausgabe vom 16.09.2025, Seite 4 / Inland
Kommunalwahlen in NRW

AfD reüssiert im Westen

NRW-Kommunalwahl. Rechte Partei mit starken Zugewinnen und drei Kandidaten in Oberbürgermeister-Stichwahlen. CDU-Ministerpräsident bestreitet »Westwanderung«
Von Kristian Stemmler
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Kommunalwahlen NRW: Wahllokal in Duisburg-Neumühl (14.9.2025)

Es kam wie erwartet: Nach den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am Sonntag beherrscht das starke Abschneiden der AfD die Debatte. Politiker der CDU und auch der SPD reagierten darauf wie gewohnt: Sie gaben der Rechtsaußenpartei indirekt recht, indem sie Geflüchtete und Arme zum Problem erklären. So betonte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Montag im ZDF-Morgenmagazin, der Staat müsse »seinem Ordnungsversprechen nachkommen«. Den Bürgern müsse »nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv« Sicherheit gegeben werden. Die CDU habe hier bereits durch eine Senkung der Zahlen »illegaler Migration« Erfolge verzeichnet.

Die AfD konnte am Sonntag ihren Stimmenanteil in den Stadträten und kreisfreien Städten gegenüber den Kommunalwahlen 2020 von 5,1 auf 14,5 Prozent fast verdreifachen. In Gelsenkirchen, Duisburg und Hagen kamen die AfD-Kandidaten in die Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters. Die CDU kam im Landesdurchschnitt auf 33,3 Prozent (minus ein Prozentpunkt gegenüber 2020). Die SPD erzielte 22,1 Prozent (minus 2,2), die im Land mit der CDU regierenden Grünen rutschen auf 13,5 Prozent ab (minus 6,5). Die Partei Die Linke erreichte 5,6 Prozent (plus 1,8), die FDP 3,7 Prozent (minus 1,9). CDU und SPD erzielten damit ihre bisher schlechtesten Ergebnisse bei Kommunalwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland.

Wie Linnemann fiel auch dem Unionsfraktionschef im Bundestag, Jens Spahn, angesichts des Erfolgs der AfD nur das Migrationsthema ein. Der Ausgang der Kommunalwahlen müsse »Schwarz-Rot« Ansporn für eine »ruhige, pragmatische Arbeit« sein, zitierte dpa den Politiker. Der Zuwachs der »extremen Rechten« müsse ein Weckruf sein: »Armutsmigration, Sozialmissbrauch und zu oft gescheiterte Integration dürfen nicht tabuisiert werden«, so Spahn.

Ähnlich äußerte sich der nordrhein-westfälische CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Ein Grund des AfD-Hochs sei ein hohes »Ausmaß des sozialen Missbrauchs« vor allem im Ruhrgebiet. Da wünsche er sich »parteiübergreifend, dass wir diesen Magneten abstellen – Armutszuwanderung vor allem aus Osteuropa, Rumänien und Bulgarien«. Eine Zusammenarbeit der Union mit der AfD auf kommunaler Ebene schloss Ziemiak aus. Der frühere Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) forderte gegenüber einem Podcast des Magazins Politico einen Kurswechsel seiner Partei. So müsse es härtere Maßnahmen gegen »irreguläre Migration« und mehr Entlastung für Beschäftigte geben.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erklärte am Sonntag abend in der ARD, das Ergebnis müsse »uns zu denken geben« und könne »uns auch nicht ruhig schlafen lassen«. Man könne in NRW aber nicht von einer »Westwanderung der AfD« sprechen, das sei »so undifferenziert nicht richtig«. Für »differenziert« hält Wüst es offenbar, weiter die Legende zu pflegen, die AfD sei eine »Ostpartei«. Wüst wie auch die Kolandesvorsitzende der SPD, Sarah Philipp, erklärten, in den drei Stichwahlen mit AfD-Beteiligung den jeweiligen Gegenkandidaten unterstützen zu wollen. In Duisburg und Gelsenkirchen treten Oberbürgermeisterkandidaten der AfD gegen SPD-Politiker an, in Hagen gegen einen CDU-Kandidaten.

Die SPD-Kovorsitzende Bärbel Bas reagierte enttäuscht auf die Wahlergebnisse. Es sei richtig, »dass wir den Abwärtstrend nicht stoppen konnten«, sagte die Duisburgerin Bas im WDR. Dennoch seien die Werte kein Desaster, wie es ihrer Partei zuvor prognostiziert wurde. Der Landesvorsitzende der SPD, Achim Post, sprach am Montag im ZDF-Morgenmagazin von einem »schlechten Ergebnis für die SPD«, aber auch »insgesamt für die demokratische Mitte«.

Die AfD zeigte sich unterdessen überzeugt, dass die anderen Parteien in den Räten über kurz oder lang mit ihr kooperieren werden. »Ich bin der festen Überzeugung, dass in den nächsten fünf Jahren die Brandmauer auf kommunaler Ebene geschliffen wird«, erklärte Landesparteichef Martin Vincentz. In den Räten von Köln und Düsseldorf legte die AfD auf neun bis zehn Prozent zu und konnte die Anzahl ihrer Mandate teils verdoppeln. In der einstigen SPD-Hochburg Gelsenkirchen lag sie nur knapp hinter der SPD.

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