Gegründet 1947 Donnerstag, 18. September 2025, Nr. 217
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 13.09.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Handelskrieg

Zölle für die Zwietracht

Die USA wollen den Druck auf Indien, China und Russland über Sekundärzölle erhöhen. Mexiko knickt ein – die EU sucht nach Alternativen
Von Jörg Kronauer
9.jpg
Protest indischer Kommunisten gegen Trumps Zollpolitik und Kriegstreiberei (Kalkutta, 6.8.2025)

Wenn’s mit der Brechstange nicht geht, vielleicht klappt es dann mit dem Presslufthammer? US-Präsident Donald Trump hantiert wieder einmal mit einem neuen Zollwerkzeug, nachdem es ihm nicht gelungen ist, Indien mit Willkürzöllen in Höhe von 50 Prozent zur Einstellung seiner Öl- und Waffenkäufe in Russland zu nötigen. 25 Prozent allgemeiner Zoll, weitere 25 Prozent als Strafe für das indische Russlandgeschäft obendrauf, so lautete das Rezept.

Indiens Regierung blieb hart, machte klar, dass sie ihre Beziehungen zu Russland nicht zur Debatte stellt. Inzwischen verhandeln beide Seiten wieder über ein Zollabkommen, das laut einem Bericht der Times of India bis November fertig sein soll. Neu-Delhi beharrt dabei darauf, dass seine roten Linien – keine Abwendung von Moskau, keine totale Öffnung des Agrarsektors – gewahrt bleiben. Und während Trump Modi als seinen »sehr guten Freund« anschleimen zu müssen glaubt, um Indien wieder an die Seite der USA zu bringen, bleibt dieser in seinen Stellungnahmen persönlich eher trocken.

Nun versucht die Trump-Regierung einen weiteren Hebel. Die G7-Länder sollten den Druck auf Indien und China nun mit deutlich höheren Zöllen für den Kauf von russischem Öl erhöhen, um Moskau zu Friedensgesprächen mit der Ukraine zu zwingen, wie mit den Plänen vertraute Personen gegenüber der Financial Times berichteten. Die G7-Finanzminister sollten demnach am Freitag in einer Videokonferenz über neue Maßnahmen beraten.

Doch Trump drängt auch die EU, Indiens Beziehungen zu Russland zu ruinieren. Er forderte, Zölle in Höhe von 50 oder von 100 Prozent – die Aussagen sind diesbezüglich inkonsistent – auf Importe aus Indien und China zu erheben, solange beide mit Russland kooperieren. Die Idee, über die am Dienstag etwa das Wall Street Journal berichtete, mag ihm gekommen sein, weil die EU über ihr inzwischen 19. Sanktionspaket gegen Moskau verhandelt und darin auch Firmen etwa aus China bestrafen will, die Russland angeblich mit sanktionierten Waren beliefern.

Bislang heißt es aus der EU, Willkürzölle gegen Russland und China kämen nicht in Frage. Sie wären für die EU auch absolut kontraproduktiv: Sie ist auf mancherlei Importe aus der Volksrepublik, etwa seltene Erden, dringend angewiesen, und mit Indien verhandelt sie über ein Freihandelsabkommen, das zollbedingte Ausfälle im US-Geschäft zumindest ein wenig ausgleichen soll. Es mit 100-Prozent-Zöllen gegen Indien wegzuwerfen – das macht nicht einmal die EU.

Alternativen zur Ausfuhr in die USA werden unterdessen von der EU dringend gesucht, da sich die US-Zölle inzwischen auszuwirken beginnen. Sein Verband rechne damit, dass der deutsche Export in diesem Jahr um 2,5 Prozent einbreche, berichtete am Donnerstag Dirk Jandura, der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) – eine Folge gerade auch der neuen US-Zölle. Schwer wiege besonders, dass die USA ihre 50-Prozent-Zölle auf Stahl und Aluminium auf insgesamt 407 weitere Stahl- und Aluprodukte ausgeweitet hätten.

Damit seien nun auch Kfz-Unternehmen sowie der Maschinen- und Anlagenbau betroffen, also die beiden größten deutschen Branchen. So gehe es nicht weiter; die EU-Kommission müsse bei ihrem Zolldeal mit der Trump-Administration nachbessern. Bereits am Mittwochabend hatte Bundeskanzler Friedrich Merz gewettert, er »erwarte« jetzt, dass es »schnell ein verlässliches Abkommen« in puncto Zölle gebe. Trumps Drohung, im Falle einer Besteuerung von Techkonzernen in der EU weitere Zölle zu erheben, verbat er sich. Ob das Trump beeindruckte, blieb zunächst unklar.

Gegensätzliche Entwicklungen hinsichtlich der Trump-Zölle sind in Lateinamerika zu erkennen. Brasilien hat sich von den 50-Prozent-Zöllen, mit denen der US-Präsident eine Freilassung seines Examtskollegen Jair Bolsonaro erzwingen wollte, nicht beeinflussen lassen; Bolsonaro wurde am Donnerstag wegen eines versuchten Staatsstreichs zu 27 Jahren Haft verurteilt. Mexiko hingegen scheint gegenüber den Vereinigten Staaten einzuknicken. Berichten zufolge ist es bereit, die Einfuhr von Autos aus China künftig mit 50 Prozent zu verzollen und damit eine Forderung der USA zu erfüllen.

Auch Textilprodukte aus China könnten in Zukunft mit bis zu 50 Prozent verzollt werden statt wie bisher mit bis zu 35 Prozent. Der Grund: Mexiko ist ökonomisch ganz von den USA abhängig, in die rund 80 Prozent seiner Ausfuhren gehen. China freilich will sich die Zölle nicht bieten lassen und kündigt Abwehrschritte an: »Wir werden unsere Interessen je nach Situation entschieden verteidigen«, warnte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums. Da steht noch erheblicher Ärger ins Haus.

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (13. September 2025 um 13:58 Uhr)
    Der Wertewesten sollte endlich aufhören, sich in selbstgefälliger Nabelschau zu gefallen. Die Mehrheit der Weltbevölkerung steht längst nicht hinter ihm – im Gegenteil, viele wenden sich bewusst ab. Wer glaubt, mit immer neuen Sanktionen die Welt zu beherrschen, verkennt die Realität: Am Ende isoliert sich der Westen nicht Russland, China oder Indien, sondern vor allem sich selbst.

Mehr aus: Kapital & Arbeit

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro