Finanzordnung
Von Lucas Zeise
Unter der harmlos wirkenden Überschrift »Die globale Finanzordnung wird politisiert« erschien vor einigen Tagen ein kluger Artikel in der FAZ. Der Titel suggeriert, dass das internationale Finanzsystem bislang unpolitisch gewesen sei. Aber man tut dem Verfasser Johannes Petry, der an der Frankfurter Uni über Finanzen – insbesondere die Chinas – forscht und schreibt, sicher nicht unrecht, wenn man annimmt, dass er sehr wohl weiß, dass Ökonomie und ganz besonders Geld und Finanzen politisch bestimmt sind. Schließlich bezeichnet er sich selbst als »Politökonom«.
»Nach drei Jahrzehnten neoliberaler Finanzglobalisierung befinden sich die Finanzmärkte im Übergang zu einer neuen Phase, in der Kapitalflüsse, Regeln und Risiken globaler Finanzbeziehungen politisch neu bestimmt werden. Sanktionen, Zahlungssysteme, Währungsreserven und Börsennotierungen dienen zunehmend als Hebel der Außen- und Sicherheitspolitik«, beginnt Petry seinen kleinen Artikel. Die US-Regierung nutze die Dollar-Ordnung zunehmend als Machtinstrument. Sanktionen, der Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT und die politische Kontrolle von Investitionen aller Art würden für geopolitische Ziele eingesetzt. Anhörungen im US-Kongress setzten Banken und Investoren unter Druck, ihre China-Geschäfte zu rechtfertigen, und manche US-Fonds spalten ihre Portfolios bereits auf. Andere Staaten wie Russland, Iran oder Venezuela seien ebenfalls Ziel solcher oder gar drastischerer Maßnahmen.
Entsprechend seien viele Staaten, »die nicht der zunehmenden Willkür des Hegemonen ausgesetzt werden wollen«, dabei, sich vom US-Dollar zu lösen. Der Autor verweist darauf, dass als Resultat dieser Bemühungen der Anteil der US-Staatsanleihen, der von ausländischen Investoren gehalten wird, von 56 Prozent (2008) auf heute etwa 30 Prozent gesunken sei. Der Anteil des Goldes an den Reserven der Zentralbanken dagegen sei in dieser Zeit international von elf auf 23 Prozent gestiegen. Im Ergebnis werde die US-Hegemonie in den Finanzbeziehungen der Welt zwar nicht abgelöst, aber relativiert.
Für Leser der jungen Welt sind solche Erkenntnisse alles andere als neu. Wahrscheinlich nicht einmal für solche der FAZ. Wohl aber die Schlussfolgerungen, die der Frankfurter Finanzforscher aus diesen Erkenntnissen zieht. Petry fordert den »Aufbau europäischer Alternativen: im Zahlungsverkehr, in der Verwahrung von Vermögenswerten sowie bei Finanz- und Dateninfrastrukturen.« Sie sollen, so meint er, »den Euro international stärken, Abhängigkeiten systematisch verringern und Europas Abwehrfähigkeit gegen ökonomischen Druck von außen sichern.« Hier gibt sich der Autor naiver, als er wahrscheinlich ist. Ein Beispiel: Das internationale Zahlungssystem SWIFT mit Sitz in Brüssel untersteht belgischem und europäischem Recht. Dennoch setzten sich die USA 2018 durch mit der Forderung, jeden Zahlungsverkehr mit dem Iran zu unterbinden. Dass die internationale Finanz-»Ordnung« der Willkür US-amerikanischer Politik unterliegt, hat weniger mit fehlenden EU-Institutionen zu tun, als mit der Entschlossenheit des europäischen Monopolkapitals, sich dem Willen der imperialen Macht auf der anderen Seite des Atlantiks zu unterwerfen.
Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen.
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