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Aus: Ausgabe vom 09.09.2025, Seite 5 / Inland
PCK Schwedt

Im Schwebezustand

Krise in der Raffinerie in Schwedt hält an. Geschäftsführung und Linke fordern Verstaatlichung
Von Knut Mellenthin
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Die Anlagen in Schwedt bleiben vorerst weiter in treuhändischer Zwangsverwaltung

Die Zukunft des Raffineriekombinats in Schwedt an der Oder bleibt »weiter im Schwebezustand«, wie es Betriebsrat Benjamin Lebahn dieser Tage ausdrückte. Die Treuhandverwaltung über das deutsche Tochterunternehmen des russischen Rosneft-Konzerns wurde am Montag das nunmehr siebente Mal verlängert. Sie wurde von der Bundesregierung erstmals im September 2022 angeordnet und muss alle sechs Monate verlängert werden, um in Kraft zu bleiben. Anfangs war dieser Verwaltungsakt mit starkem Druck auf Rosneft verbunden, seinen Mehrheitsanteil von 54,2 Prozent schnellstens, am liebsten bis zum nächsten Fälligkeitstermin der Verlängerung, zu verkaufen. Davon ist schon länger keine Rede mehr. Was an internen Informationen und Einschätzungen bekannt ist, deutet darauf hin, dass der Mutterkonzern den Wert seiner Anteile auf rund acht Milliarden Euro taxiert, aber diesen Preis bei einem erzwungenen Notverkauf weit verfehlen würde.

Angesichts dieser Lage spricht sich Udo Giegerich, der Geschäftsführer von Rosneft Deutschland, dessen Vertrag am Mittwoch endet, für eine Verstaatlichung des PCK Schwedt aus. Er sieht darin den »einzig möglichen Weg« für eine »langfristige Eigentümerlösung, um sich erfolgreich für die Zukunft aufzustellen«. Medien vermuten, dass er sich davon mehr Geld für das Unternehmen verspricht als von einem Verkauf zum Marktpreis.

Auf eine Verstaatlichung der Raffinerie drängt seit 2022 auch der Bundestagsabgeordnete Christian Görke von der Linken, der bis Oktober 2021 dem Brandenburger Landtag angehörte und von Januar 2014 bis November 2019 Finanzminister in der Landesregierung war. Görke pflegt seine Forderung mechanisch zu wiederholen und begründet sie ausgerechnet damit, dass er der Bundesregierung immer wieder »Planlosigkeit im Umgang mit den Rosneft-Anteilen« vorwirft. Warum er trotzdem hofft, durch »die öffentliche Hand«, also durch den Staat, könnten »die nötigen langfristigen Investitionen getätigt werden«, entzieht sich der Logik. Durch das von ihr verhängte, seit Anfang 2023 geltende generelle Verbot, russisches Erdöl zu verarbeiten, hat die Bundesregierung der Raffinerie bisher nur geschadet.

Deren Auslastung lag im ersten Halbjahr 2025 nach eigenen Angaben im Monatsdurchschnitt bei 80 Prozent ihrer Kapazität, aber in der ersten Zeit nach dem erzwungenen Verzicht auf russisches Erdöl weit darunter. Die bekanntgegebenen Umsatzzahlen des PCK Schwedt lassen darauf schließen, dass das Unternehmen durch das Sinken seiner Produktion Marktanteile an die konkurrierende polnische Orlen-Gruppe verloren hat, und das vermutlich dauerhaft. Genaue Zahlen dazu wurden bisher nicht veröffentlicht.

Um die Versorgung der Raffinerie an der Oder mit Erdöl stabil zu verbessern, führt Rosneft Verhandlungen mit Kasachstan. Einem Bericht der in London ansässigen internationalen Nachrichtenagentur Reuters zufolge flossen von Januar bis Juli dieses Jahres 1,086 Millionen Tonnen Erdöl aus der früheren Sowjetrepublik in Zentralasien durch die »Druschba«-Pipeline nach Schwedt. Das sei eine Zunahme um 38 Prozent. Insgesamt seien im Vorjahr 1,5 Millionen Tonnen kasachisches Erdöl im PCK Schwedt verarbeitet worden. Im laufenden Jahr sollen es nach Angaben der Botschaft Kasachstans zwei Millionen Tonnen werden. Bei voller Auslastung betrüge die Kapazität der Raffinerie bis zu zwölf Millionen Tonnen.

Kasachstan steigert seinen Output immer noch weiter, aber dabei gibt es ein Problem: Seine Förderung liegt jetzt schon deutlich über der Menge, die ihm von der Interessengemeinschaft erdölproduzierender Länder, der OPEC, zugebilligt wird. Das Land hat sich deshalb verpflichten müssen, das Plus, das auf diese Weise entstanden ist, durch Einschränkungen zu »kompensieren«, also schrittweise wieder abzubauen.

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