Zwischen Verbot und Regierung
Von Kristian Stemmler
Die Bestrebungen, ein Verbotsverfahren gegen die AfD auf den Weg zu bringen, werden nach einer monatelangen Phase relativer Ruhe wieder konkreter. Die SPD-Vorsitzende Bärbel Bas sprach sich am Sonntag abend in der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin« dafür aus, die Einladung der Grünen für ein Gespräch über einen entsprechenden Verbotsantrag anzunehmen. Die Spitze der Grünen-Bundestagsfraktion hatte die Fraktionsvorsitzenden von Union, SPD und Linkspartei vor einigen Tagen zu einem solchen Gespräch eingeladen.
Es sei zu prüfen, erklärte Bas, die auch Arbeitsministerin ist, ob die Beweislage bei der AfD hergebe, dass die Partei die Demokratie bekämpfe. Eine solche Prüfung gebe das Grundgesetz vor, »das ist auch ein Auftrag«, so die SPD-Chefin. Deshalb solle man »zumindest immer Gespräche führen und dann auch entscheiden, ob man diesen Weg geht«. Die Fraktion der Linkspartei, die ein AfD-Verbot schon länger befürwortet, hatte bereits angekündigt, das Gesprächsangebot der Grünen anzunehmen. Die Union dürfte es ablehnen, da sie einem AfD-Verbot skeptisch gegenübersteht. CSU-Chef Markus Söder bekräftigte das am Montag noch einmal. Ein AfD-Verbot sei falsch, weil es der Partei »einen Märtyrerstatus gibt, der falsch ist«, sagte er beim politischen Frühschoppen auf dem Volksfest Gillamoos im niederbayerischen Abensberg.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte Anfang Mai mitgeteilt, dass es die AfD als »gesichert rechtsextremistische Bestrebung« einstufen werde. Wegen einer Klage der AfD gegen diesen Schritt legte die Behörde die Einstufung aber bis zu einer gerichtlichen Klärung auf Eis. Die SPD beschloss danach auf einem Parteitag, dass Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung die Voraussetzungen schaffen sollen, um »unverzüglich beim Verfassungsgericht einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD stellen zu können«.
Die Debatte über ein AfD-Verbot fällt in eine Zeit, in der die Partei in Umfragen immer neue Spitzenwerte erreicht. Für Aufsehen sorgte in der vergangenen Woche eine Umfrage aus Sachsen-Anhalt, in der die AfD ein Jahr vor der Landtagswahl mit 39 Prozent weit vor der CDU mit 27 Prozent liegt. In dem Bundesland wird in einem Jahr gewählt. AfD-Spitzenkandidat Ulrich Siegmund hat umgehend das Ziel ausgegeben, eine Alleinregierung in dem Land zu bilden. »Wir wollen eine stabile und verlässliche Regierung bieten«, sagte er dem Stern am Wochenende. »Deshalb brauchen wir eine sichere Mehrheit – und keine, bei der es am Ende auf ein oder zwei Stimmen im Parlament ankommt«, so Siegmund. Eine Minderheitsregierung schloss er aus.
Elisabeth Kaiser (SPD), Ostbeauftragte der neuen Bundesregierung, warnte die Wähler in Sachsen-Anhalt vor einer Regierungsbeteiligung der AfD. Die Menschen sollten sich bewusst machen, »welche Gefahren ein solcher Wahlausgang mit sich brächte«, sagte Kaiser den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Montag). In anderen europäischen Ländern sei zu sehen, was passiere, wenn autoritäre Politiker an die Macht kämen. »Dort werden Pressefreiheit und Meinungsfreiheit eingeschränkt, die Unabhängigkeit der Justiz angegriffen«, so die SPD-Politikerin, die offenbar die Meinung vertritt, in der Bundesrepublik sei diesbezüglich alles in bester Ordnung.
Unionsfraktionschef Jens Spahn lieferte unterdessen einen noch groteskeren Beitrag zur Debatte. Er rief die Fraktionen von SPD, Grünen und Linken auf, seine Partei gegen die AfD mehr zu stützen. Wer die AfD kleinhalten wolle, müsse »ein Interesse an einer starken Union haben«, denn die sei das Bollwerk gegen rechts, sagte Spahn der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Spahn scheint entgangen zu sein, dass CDU und CSU mit der Übernahme von Forderungen der AfD diese Partei erst »normalisiert« haben.
Die AfD lässt sich von der neuerlichen Verbotsdebatte nicht aus ihren Träumen reißen. Parteichef Tino Chrupalla sieht seine Partei unaufhaltsam auf dem Weg zur Regierungsübernahme. Wenn nicht schon nächstes Jahr in Sachsen-Anhalt, dann spätestens 2029 auf Bundesebene, erklärte Chrupalla am Montag in Abensberg. Die bayerische AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner rief bei der Veranstaltung aus: »Wir werden abschieben, abschieben, abschieben, bis die Startbahnen in München glühen.«
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