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Aus: Ausgabe vom 16.08.2025, Seite 7 / Ausland
Indonesien

Zwischen Feier und Frust

Indonesien: Unmut über Regierungspolitik überschattet 80. Jubiläum der Unabhängigkeit
Von Rainer Werning
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Kurz vor den offiziellen Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Unabhängigkeit herrscht nicht überall in Indonesien Feierstimmung. Seit Monaten gibt es immer wieder große Proteste gegen die Regierung von Prabowo Subianto, unter anderem wegen Korruption und der Verschärfung eines Militärgesetzes. Nun haben die Regierenden vor allem wegen eines Protestbanners Sorge. Es zeigt das Piratensymbol aus der Mangaserie »One Piece« vor schwarzem Hintergrund – und könnte das bunte Meer aus Nationalflaggen am Sonntag eindunkeln.

Erinnert wird dann an den 17. August 1945. Im größten und bevölkerungsreichsten Land Südostasiens riefen damals die Nationalisten Sukarno und Mohammad Hatta nach entbehrungsreichem Kampf gegen die niederländische Kolonialmacht und die japanische Besatzung während des Zweiten Weltkriegs die Unabhängigkeit des Inselreiches aus. Zwei Tage zuvor hatte Japans Kaiser Hirohito die Kapitulation verkündet und sich damit vom Traum einer von Nippon geführten »Großostasiatischen Wohlstandssphäre« verabschieden müssen.

Wie in den anderen Regionen Südost- und Ostasiens waren auch die Kolonialtruppen in Niederländisch-Indien, wie Indonesien von den niederländischen Besatzern genannt wurde, von den schnell vorrückenden japanischen Einheiten überrascht worden. Was für die Niederlande eine schmähliche Niederlage war, bot dem überwiegenden Teil der indonesischen Bevölkerung Anlass zur Freude. Schließlich waren die verhassten Kolonialherren besiegt. Im kollektiven Gedächtnis der Kolonisierten konnten die Freveltaten der Vergangenheit nicht getilgt werden. Denn in Niederländisch-Indien, dem Dreh- und Angelpunkt des niederländischen Kolonialreichs in Südostasien, waren systematisch Einheimische ermordet worden.

Bewaffneter Widerstand gegen die neuen japanischen Besatzer regte sich deshalb kaum. Während sich der spätere Staatsgründer und Präsident Sukarno und etliche seiner Gefolgsleute für eine Kollaboration mit den Japanern entschlossen hatten, gingen Sozialisten und Kommunisten in den Untergrund. Einige Monate hielt in der Bevölkerung die große Erwartungshaltung an, Japan werde dem Inselreich als Befreier auch zur Unabhängigkeit verhelfen. Doch eben das sahen die Pläne Tokios nicht vor. Statt dessen wurde Indonesien direkt von japanischen Truppen verwaltet. Die japanische Armee richtete landesweit Kriegsgefangenen- und Internierungslager ein, in die zuallererst die alliierten Kriegsgefangenen und Bürger jener Länder gepfercht wurden, mit denen sich Japan im Krieg befand. Ungefähr 100.000 niederländische Zivilisten wurden von den Japanern interniert. Weitaus harscher war das Los der einheimischen Bevölkerung, die von der japanischen Soldateska in großem Stil zur Zwangsarbeit rekrutiert wurde.

Hunger trieb die Menschen um; Bauernrevolten und der Aufstand der Militärorganisation Peta in Ostjava waren auffällige Zeichen um sich greifender Unruhen. Peta diente der Besatzungsmacht von Oktober 1943 bis Kriegsende als Freiwilligenarmee zur Abwehr einer möglichen Invasion der alliierten Streitkräfte. Zwar wurde Peta anlässlich der Unabhängigkeitserklärung am 17. August 1945 aufgelöst, wenngleich zahlreiche ihrer Mitglieder, darunter auch der spätere Putschgeneral Suharto, Kommandohöhen der indonesischen Streitkräfte erklommen. Präsident Sukarno unterstützte die Peta-Auflösung schon deshalb, weil er befürchtete, als anfangs offener Kollaborateur mit Japan stigmatisiert zu werden.

Die neu-alten Kolonialherren reagierten auf die Ausrufung der Republik am 17. August und bis zur Unterzeichnung der Souveränitätsübergabe 1949 mit dem, was sie beschönigend Polizeiaktionen nannten. Die eigentliche Niederlage erlitt die Regierung in Den Haag letztlich in der Diplomatie, da die Weltöffentlichkeit zunehmend mit der indonesischen Seite sympathisierte. Dem politischen Druck westlicher Regierungen folgend, unterzeichnete die niederländische Königin Juliana im Dezember 1949 in Amsterdam die Souveränitätsübergabe an die Republik Indonesien.

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