Neue Eskalation in Papua
Von Thomas Berger
Es ist eine abgelegene Region, die es selten in internationale Schlagzeilen schafft – auch, weil das Gebiet für ausländische Journalisten abgeriegelt ist und es einheimischen Berichterstattern oft an geeigneten Verbreitungswegen mangelt. Offenkundig ist aber, dass der zuvor länger eher »niedrigschwellig« köchelnde Dauerkonflikt im indonesisch kontrollierten Westen der Insel Neuguinea sich abermals verschärft hat. Von mindestens vier weiteren zivilen Todesopfern war zuletzt die Rede. Sieben Personen gelten zudem als vermisst, so die Free West Papua Campaign am Montag.
Das frühere Holländisch-Neuguinea war das letzte koloniale Gebiet in Südostasien, das seinerzeit von den Niederlanden geräumt wurde. Ende 1961 hatten die Bewohner des Inselteils die Unabhängigkeit erklärt, doch Indonesien annektierte das Gebiet, das die folgenden Jahrzehnte unter der Bezeichnung Irian Jaya firmierte. Von den Einheimischen als Papua beziehungsweise Westpapua bezeichnet, ist die Fläche etwa von der Größe Kaliforniens inzwischen in sechs Provinzen aufgeteilt. Unter Indonesiens neuem Präsidenten Prabowo Subianto, der als Exgeneral einer Spezialeinheit zu Zeiten des früheren Diktators Mohamed Suharto gerade in solchen »Randgebieten« für schwere Menschenrechtsverletzungen mitverantwortlich gemacht wurde, hat sich, wie befürchtet, die Militärpräsenz in Papua erneut erhöht.
Vor allem in Dörfern des zentralen Hochlands gab es seit April Zusammenstöße zwischen Regierungstruppen und Guerillaeinheiten. Die indonesische Armee erklärte Mitte Mai, im Regierungsbezirk Intan Jaya 18 Mitglieder der West Papua National Liberation Army (TPNPB) getötet zu haben. Feuerwaffen, Munition, Pfeile und Bogen sowie Funkausrüstung seien sichergestellt worden, dazu etliche Exemplare der verbotenen Morgensternflagge des Free Papua Movements (OPM).
Als Auslöser der jüngsten Eskalation gilt, dass die TPNPB die Verantwortung für den Tod von 17 Menschen Anfang April übernommen hat, die für ein Bergbauunternehmen tätig waren und als indonesische Spione angesehen wurden. Nicht nur die Erzförderung in Papua lehnt die TPNPB ab. Auch für riesige Felder schreite der Landraub voran, moniert die Unabhängigkeitsbewegung. Für das Ziel, Indonesiens Bevölkerung von 280 Millionen Menschen bis 2028 selbst zu ernähren und sogar Überschüsse zu exportieren, seien bereits etliche Wälder gerodet worden, so ein lokaler Aktivist Mitte Mai gegenüber einem Reporter des Pazifik-Services von Radio New Zealand.
»Indonesiens Militär hat eine lange Liste von Vergehen in Westpapua, die vor allem die indigenen Gemeinschaften treffen«, erklärte kürzlich Meenakshi Ganguly, Asien-Vizechefin von Human Rights Watch (HRW). Die Menschenrechtsorganisation hatte bereits im September 2024, kurz vor der Amtsübergabe von Expräsident Joko Widodo an seinen Nachfolger Prabowo, die neue Regierung zu einem Politikwechsel aufgefordert. In einem 80seitigen Bericht war von systematischen rassistischen Diskriminierungen, willkürlichen Verhaftungen sowie starken Einschränkungen bürgerlicher Grundrechte die Rede. Die Unabhängigkeitsbewegung als Ganzes werde kriminalisiert, so HRW.
Benny Wenda, der vom britischen Exil aus die Organisation United Liberation Movement for West Papua (ULMWP) führt, die sich Ende 2014 aus der Fusion dreier Gruppen gebildet hatte, kritisiert immer neue Verbrechen der indonesischen Armee. Sie habe mehrere Dörfer bombardiert, so auch die australische New Indigenous Times Mitte Mai. Traditionell unterstützen etliche Inselstaaten im Westpazifik das Freiheitsstreben der traditionellen Einwohner Papuas. Mit einer Finanzspritze von umgerechnet sechs Millionen US-Dollar an Fidschi, verkündet Ende April beim Treffen von dessen Premier Sitiveni Rabuka mit Prabowo, soll diese wichtige Stimme anscheinend ruhiggestellt werden. Initiativen wie Wage Peace (mit Hauptsitz in Australien) weisen zudem auf Rüstungsgeschäfte westlicher Konzerne mit Indonesiens Militär hin. Dieses wird seit 2012 etwa von Rheinmetall mit »Leopard«- und »Marder«-Panzern beliefert.
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