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Aus: Ausgabe vom 22.08.2025, Seite 5 / Inland
Gewerkschaften und AfD

»Zentrum« muss draußen bleiben

Braunschweig: Rechte Pseudogewerkschaft muss keinen Zutritt zu Volkswagen-Werk erhalten
Von David Maiwald
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Die IG Metall organisiert 90 Prozent der Beschäftigten bei Volkswagen

Volkswagen muss der AfD-nahen Betriebsstruktur »Zentrum« keinen Zugang gewähren. Das Arbeitsgericht Braunschweig wies eine Klage des Vereins am Donnerstag ab, wie ein Gerichtssprecher gegenüber junge Welt bestätigte. »Zentrum« habe nicht ausreichend nachweisen können, dass mindestens eines seiner Mitglieder im betreffenden VW-Achsenwerk in Isenbüttel beschäftigt ist. Der Vortrag vor der Kammer und auch die damit zusammenhängenden Dokumente hätten die behauptete Mitgliederstruktur »nicht substantiiert darstellen können«, hieß es weiter. Volkswagen hatte den Rechten den Zutritt zum Werk verwehrt und das mit mangelnder Tariffähigkeit der Organisation begründet.

Da die Rechten sich auf die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit beriefen, hätten sie eine eigene Mitgliederstruktur im Isenbütteler Werk nachweisen müssen, hatte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung erklärt. Zwar hatte »Zentrum« mehrere Namen von Mitgliedern genannt, ohne jedoch einen ausreichenden »Sachvortrag« mit entsprechenden Informationen darzulegen. So sei »wann, wer, wie« undeutlich geblieben, so der Gerichtssprecher zu jW. Eine Berufung sei dem Verein aber möglich.

Der vor gut 16 Jahren als »Zentrum Automobil« in Stuttgart gegründete Zusammenschluss bemüht sich aktuell um Einfluss in den Betriebsstrukturen von VW in Niedersachsen. In Hannover verfügt die vom ehemaligen Neonazirocker Oliver Hilburger gegründete Pseudogewerkschaft über ein eigens dafür eingerichtetes Büro, das der ehemalige Verdi-Personalrat der örtlichen AHA-Abfallentsorgung, Jens Keller, leitet. Der Zeitpunkt ist nicht zufällig gewählt, zu den Betriebsratswahlen im kommenden Frühjahr wollen die Rechten als Struktur sichtbar auftreten können. Im Isenburger Werk werden sie nun vorerst weder werben noch Infomaterial verteilen können.

Bislang fällt der Verein weniger als unterstützende Beschäftigtenstruktur denn als regressiver Störfaktor für die aktiven DGB-Mitglieder auf. Dabei nutzen die rechten Strategen die Unzufriedenheit über zweifelhafte Tarifergebnisse oder interne Verfahren aus, um die bestehenden Gremien zu diffamieren. Dabei treten die Mitglieder nicht zwangsläufig offen erkennbar als die AfD-nahe Struktur auf, die sie sind, sondern nutzen aktiv Bündnislisten, etwa im März im Rüsselsheimer Opelwerk die der Christlichen Gewerkschaft Metall. Im Zwickauer Volkswagen-Werk konnte das »Bündnis freier Betriebsräte« bereits vier von 37 Mandaten gewinnen.

Als größte DGB-Einzelgewerkschaft kann die IG Metall bei Volkswagen auf den besten Organisationsgrad überhaupt bauen. Dem rechten »Zentrum« komme »im Gefüge der Arbeitnehmervertretungen in Niedersachsen keine Rolle zu«, erklärte ein Gewerkschaftssprecher am Donnerstag auf jW-Anfrage. Der Einfluss der Organisation bleibe »marginal« und beschränke sich auf »ein Randphänomen ohne erkennbare Durchsetzungskraft«. Den Rechten fehle sowohl die organisatorische Verankerung als auch »die institutionellen Strukturen, die notwendig wären, um die Interessen der Beschäftigten wirksam zu vertreten oder spürbare Verbesserungen ihrer Arbeits- und Einkommensbedingungen zu erreichen«, hieß es weiter.

Trotzdem hatte der IGM-Bezirksleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Thorsten Gröger, vor dem Verkündungstermin am Donnerstag in Braunschweig vor dem Zusammenschluss gewarnt. Das Ziel der »Zentrum«-Leute sei »Uneinigkeit« und »Spaltung« hatte Gröger gegenüber der Nachrichtenagentur dpa erklärt. Das diene nur dazu, »die Belegschaften zu schwächen, anstatt sie zu stärken«. Für die Betriebsratswahl im März erwartet Gröger der Meldung nach keine ernsthafte Konkurrenz durch »Zentrum«. Im Konzern hat seine Gewerkschaft schon lange mehr als 90 Prozent der Belegschaft als Mitglieder.

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