Ausbildung bleibt Ausbeutung
Von Marc Bebenroth
Große und kleine Kapitalisten beklagen seit Jahren einen angeblichen Fachkräftemangel. Der dahintersteckende Hunger nach billigen Arbeitskräften wird zum Teil durch Auszubildende gedeckt. Die kommen den Betrieben deutlich billiger, als Ausgelernte anzuheuern. Entsprechend werden die jungen Lohnabhängigen behandelt. Rund ein Drittel von ihnen muss regelmäßig Überstunden leisten, wie aus dem am Donnerstag vorgelegten Ausbildungsreport 2025 des Deutschen Gewerkschaftsbunds hervorgeht. 7,5 Prozent der Teilnehmer räumten demnach ein, dass eine Verlängerung des Arbeitstages nicht vergütet wurde, weder finanziell noch in Form eines Stundenausgleichs.
Mehr als jeder siebte (14,7 Prozent) berichtete, »immer« oder »häufig« Aufgaben erfüllen zu müssen, die »eindeutig nicht zur Ausbildung gehören«, wie der DGB mitteilte. Hier habe es demnach nur eine geringfügige Verbesserung gegenüber dem Negativrekord im Vorjahr (2024: 15,3 Prozent) gegeben. Die dadurch fehlende Zeit für die wirklichen Ausbildungsinhalte gefährde den erfolgreichen Ausbildungsabschluss.
Besonders von Überstunden betroffen seien der Umfrage zufolge angehende Köchinnen und Köche (50,6 Prozent), Automobilkaufleute (49,1 Prozent) und Bankkaufleute (45,8 Prozent). Mit mehr als einem Viertel (26,1 Prozent) müssen demnach besonders häufig Friseurinnen und Friseure ständig ausbildungsfremde Aufgaben übernehmen. Auch seien sich viele Auszubildende gegen Ende ihrer Vertragslaufzeit im unklaren darüber, ob sie nach der Ausbildung im Betrieb weiterbeschäftigt werden. Besonders lange gelte dies für Verkäuferinnen und Verkäufer.
In den vergangenen fünf Jahren habe sich die ökonomische Situation von Auszubildenden grundsätzlich verschlechtert. Im Vergleich zu 2020 sei der Anteil derer, die nur schwer ein selbständiges Leben stemmen können, um fast sechs Prozentpunkte angestiegen. Etwa ein Drittel der Auszubildenden erhalte zusätzliche finanzielle Unterstützung durch die Eltern (31,9 Prozent). Nicht wenige Betroffene (12,7 Prozent) seien auf einen Nebenjob angewiesen. Vor dem Hintergrund der Umfrageergebnisse verwundere es laut DGB nicht, dass beispielsweise bei den angehenden Köchinnen und Köchen »zuletzt fast die Hälfte (46,7 Prozent) aller Ausbildungsverträge« vorzeitig »gelöst wurden«.
»Fast 30 Prozent aller Auszubildenden in Deutschland lösen ihren Ausbildungsvertrag vor dem Ende der vorgesehenen Ausbildungsdauer auf«, heißt es in dem am Donnerstag vorgestellten Papier. Von den mehr als 9.000 befragten jungen Menschen aus den 25 am häufigsten gewählten Ausbildungsberufen gaben laut DGB 15,1 Prozent an, schon einmal eine Ausbildung abgebrochen zu haben. Viele schaffen es demnach nicht einmal ohne weiteres, einen Ausbildungsplatz zu finden. Beratungsangebote der sogenannten Arbeitsagenturen würden eher geschmäht. Nur rund 15 Prozent der Befragten hätten diese genutzt. Gerade einmal halb so viele nutzten Angebote an den Schulen zur Berufsorientierung. Für die Mehrheit seien das persönliche Umfeld sowie das Internet Anlaufstelle Nummer eins.
Zur Verbesserung der ökonomischen Situation von Berufsanfängerinnen und -anfängern fordert der DGB neben einer höheren Mindestausbildungsvergütung den »bundesweit verstetigten Ausbau von Azubi-Wohnheimen« sowie ein »vergünstigtes, bundesweit gültiges Azubi-Ticket«. Die Unternehmen wiederum seien aufgerufen, »mehr jungen Menschen die Chance zu geben, sich in der Ausbildung zu beweisen«. Andernfalls könne man »ihnen das Gejammer um einen angeblichen Bewerber*innenmangel nicht abnehmen«, urteilte DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker in einer Mitteilung zur Studie.
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