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Aus: Ausgabe vom 22.08.2025, Seite 4 / Inland
Wer die Kapelle zahlt

Geldspur in die Schweiz

Bundestagsverwaltung wirft AfD unzulässige Millionenspende über Strohmann vor. Partei will dagegen klagen
Von Max Ongsiek
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Wahlwerbung für die AfD: 6.000 Plakate für 2,3 Millionen Euro (Dortmund, 13.2.2025)

Kurz vor der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar 2025 erhielt die AfD einen hohen Geldbetrag – 2,35 Millionen Euro – angeblich von dem früheren FPÖ-Politiker Gerhard Dingler. Verwendet wurde die Spende für eine umfangreiche Plakatkampagne. Die Bundestagsverwaltung hat der Bild laut Bericht vom Mittwoch abend auf Anfrage mitgeteilt, sie halte, mit Blick auf die Millionenspende, den Tatbestand einer »unzulässigen Weiterleitungs- bzw. Strohmannspende« für erfüllt. Kommen soll das Geld nämlich nicht von Dingler, sondern von Henning Conle, dem in der Schweiz lebenden Duisburger Immobilienmilliardär.

Dass Dingler bei der Spende nur als Strohmann fungierte, hatten das Magazin Spiegel und die österreichische Tageszeitung Der Standard bereits im April berichtet. Daraufhin hatte die Bundestagsverwaltung ein Prüfverfahren eingeleitet. Ein Hinweis auf die Identität des tatsächlichen Spenders kam laut eines Stern-Berichts vom 25. April von der »Financial Intelligence Unit« aus Österreich. Demnach soll Dingler kurz vor dem Start der Plakataktion einen noch höheren von Conle überwiesen bekommen haben – abzüglich einer Aufwandsentschädigung von 250.000 Euro.

Anschließend überwies die Bundespartei laut Stern-Recherche die Millionensumme der Bundestagsverwaltung »zur Verwahrung«. Das bestätigten diese und die AfD gegenüber Stern und den Sendern RTL/N-TV. Erfolgt sei die Überweisung, »damit wir keine doppelte oder dreifache Strafe zahlen müssten, falls sich zu unseren Ungunsten Fakten ergeben würden«, begründete AfD-Bundesschatzmeister Carsten Hütter die Transaktion. »Diese millionenschwere Strohmannspende an die AfD macht deutlich, dass unsere Demokratie ohne klare Regeln käuflich wird«, erklärte Clara Bünger, innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, am Donnerstag auf jW-Anfrage.

Die AfD bangt um ihre Fleischtöpfe. Denn auch die Debatte um ein Verbot der Rechtspartei läuft weiter. So veröffentlichte die Forschungsstelle Nachrichtendienste der Universität Köln am vergangenen Freitag eine Studie, dass dem Gutachten des Inlandsnachrichtendiensts »eine wesentliche Bedeutung im Hinblick auf die Vorbereitung eines etwaigen Parteiverbotsverfahrens zukommen dürfte«. Über die Studie berichteten diverse Medien am Donnerstag.

Der Geheimdienst hatte die Partei Anfang Mai als »gesichert rechtsextremistisch« eingestuft. Dagegen hatte die AfD sich juristisch gewehrt, weswegen der Verfassungsschutz die Hochstufung bis auf Weiteres ruhen lässt und die Partei als »Verdachtsfall« eingestuft lässt. Projektleiter Markus Ogorek verglich den Prüfkatalog des Inlandsgeheimdienstes für die Einstufung als gesichert rechtsextremistisch mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben für ein Parteiverbot. Der Staatsrechtler resümierte laut AFP, dass diese »zwar nicht identisch, in weiten Teilen aber vergleichbar sind«. Die Studie empfiehlt daher, vor der möglichen Beantragung eines Verbots der AfD abzuwarten, was Gerichte zur Einstufung als »gesichert rechtsextremistisch« sagen. Schon vorher könne aber der Entwurf für einen Verbotsantrag vorbereitet werden.

Tatsächlich kann nach einer Grundgesetzänderung von 2017 »Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden«, die staatliche Finanzierung aus Steuergeldern gestrichen werden.

Wessen Geistes Kind AfD-Funktionäre sind, zeigt der ab dem 7. Januar anstehende Prozess vor dem Amtsgericht Würzburg gegen Daniel Halemba, Landtagsabgeordneter und angeklagt wegen Volksverhetzung und Geldwäsche. Der Anklagepunkt Volksverhetzung bezog sich auf ein Lied einer Neonaziband, das er bei seiner Geburtstagsfeier im Verbindungshaus einer Studentenverbindung abgespielt haben soll. Zur Volksverhetzunganklage kommen Vorwürfe der Geldwäsche, versuchte Nötigung und Sachbeschädigung. Laut Anklage soll der Abgeordnete Geld aus Betrugstaten von Dritten gegen Provision weitergeleitet sowie einen Anwalt bedrängt haben.

Zwischenzeitlich hatte die AfD einen Parteiausschluss des Abgeordneten angestrebt, im September vergangenen Jahres endete das Verfahren mit einer Art Vergleich. Halemba durfte in der AfD bleiben, wurde aber mit einer eineinhalbjährigen Ämtersperre belegt, musste Parteiposten räumen. Landtagsabgeordneter ist Halemba schon seit Oktober 2023. Dort ist er Mitglied im Eingabenausschuss des Parlaments, außerdem Fachsprecher für Themen rund ums Ehrenamt – so die Angaben der AfD-Fraktion. Für die staatsanwaltlichen Ermittlungen hatte der Landtag Halembas Immunität aufgehoben.

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