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Aus: Ausgabe vom 11.08.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Internationale Handelspolitik

»Powerplay« gegen Bern

US-Zollpolitik trifft Schweiz besonders hart. Bundesrat setzt auf »Deregulierung« von sozialen Standards
Von Kim Nowak
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Blickt unsicher drein: Die liberale Bundespräsidentin der Eidgenossenschaft, Karin Keller-Sutter (Genf, 9.5.2025)

Der Wirtschaftskrieg der USA geht in die nächste Runde: Vergangenem Mittwoch sind die Zölle in Kraft getreten. Während sie bei den meisten EU-Gütern bei 15 Prozent liegen, hat es die Schweiz besonders hart getroffen. Am Dienstag reisten Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (FDP) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) nach Washington, D. C., um weitere Gespräche zu führen. Gebracht hat die Reise nichts: Auf Schweizer Importe wurden Zölle in Höhe von 39 Prozent erhoben. Das sind acht Prozentpunkte mehr als ursprünglich vorgesehen.

Der Schock sitzt tief, was nicht verwunderlich ist. Dass Bern für ein Handelsdefizit von 40 Milliarden US-Dollar verantwortlich gemacht werde, sei inakzeptabel, betonte Keller-Sutter am Donnerstag gegenüber Medien. »Das, was er macht, ist Powerplay«, unterstrich sie mit Verweis auf den Wirtschaftskrieger Donald Trump. Sie bleibe zwar optimistisch, die Zölle würden sich dennoch bemerkbar machen.

Der US-Markt spielt für die Berner Wirtschaft eine große Rolle. »Rund 18 Prozent der Warenexporte gehen in die USA«, so Parmelin am Donnerstag. Davon seien etwa 60 Prozent von den Zöllen betroffen. Im vergangenen Jahr wurden Waren im Wert von 65,3 Milliarden Franken exportiert (69,7 Milliarden Euro). Dabei unterscheidet sich der Export in den einzelnen Kantonen deutlich: Während die Kantone Nidwalden und Neuenburg 47 respektive 37 Prozent in die USA exportieren, liegt der Wert in Schwyz und Uri bei sechs respektive zwei Prozent.

Sollten die US-Zölle über einen längeren Zeitraum in Kraft bleiben, wird es für die Schweizer Wirtschaft düster aussehen. Um den Unternehmen etwas entgegenzukommen, will Bern innenpolitisch auf mehr »Deregulierung« setzen. Die Verlängerung der Kurzarbeit von 18 auf 24 Monate soll bereits im Herbst beschlossen werden. Weitere Entlastungen für das Schweizer Kapital werden bereits diskutiert. Ganz gleich, was dabei herauskommt: Ausbaden dürfen es die eidgenössischen Werktätigen.

Der Zollkrieg rückt ein weiteres Thema wieder in den Vordergrund: die Beschaffung der F-35-Kampfjets aus den USA. Kritik daran wurde schon vor Monaten laut, besonders von den parlamentarischen Linken. Bürgerliche und Rechte verteidigten – wenig verwunderlich – den Kauf. Doch nun scheint es auch in ihren Reihen Bedenken zu geben. Nationalrat Hans-Peter Portmann (FDP) will den Kauf nun überprüfen. »In der jetzigen Lage kann man nicht einfach so weitermachen, als wäre nichts passiert«, so der Außenpolitiker am vorvergangenen Wochenende. Einen entsprechenden Antrag habe er bereits eingereicht. Keller-Sutter betonte gegenüber Journalisten, dass die Schweiz am Kauf festhalten werde.

Auch die Schweizerische Volkspartei (SVP) will sich der bürgerlichen Kritik nicht anschließen – noch nicht. Wie Michael Hermann, Leiter des Forschungsinstituts Sotomo, laut SRF vom Donnerstag betont, scheine die SVP »in ihrer eigenen Ideologie gefangen« zu sein. Denn die Rechtsnationalen haben Trump bisher stets die Treue gehalten. »Je größer die Distanz zum Handelspartner USA wird, desto näher rückt plötzlich die EU«, so Hermann weiter. Die SVP versteht sich weiterhin als Hardliner des EU-Skeptizismus und will entsprechende Handelsverträge mit Brüssel zum Scheitern bringen. Wie lange sie diese Position vertreten wird, steht in den Sternen, denn an der SVP-Basis wird die Ablehnung gegenüber Trump größer.

Wie wird es nun weitergehen? Die Vertreter aus der Staatsregierung, dem Bundesrat, bleiben vorsichtig optimistisch. Man wolle die Gespräche mit den USA fortsetzen und eine Senkung der Zölle erreichen. Kurz: eine »verlässliche Partnerin« sein. Konkret gehe es dabei um eine Senkung der OECD-Mindeststeuer, die heute bei 15 Prozent liegt. Darauf pochen SVP, FDP und die christdemokratische »Mitte«. Unter Druck gesetzt wird der Bundesrat auch von der Wirtschaft. Der Arbeitgeberverband der KMU verlangt einen »raschen Abbau oder Kompensationen«. Dessen Präsident Nicola Tettamantin fordert den Bund auf, die Interessen des Schweizer Kapitals international zu vertreten.

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