Gasdeal am Sinai
Von Knut Mellenthin
Ägypten will seine Einfuhr von israelischem Erdgas in den kommenden Jahren erheblich erhöhen. Eine entsprechende Vereinbarung wurde am vergangenen Donnerstag bekannt. Mit einem Gesamtwert von 35 Milliarden US-Dollar soll es sich um das größte Exportgeschäft in der Geschichte des zionistischen Staates handeln. Schon jetzt deckt Gas aus Israel 15 bis 20 Prozent des ägyptischen Verbrauchs. Aufgrund des für die Öffentlichkeit überraschenden Superdeals sieht sich Präsident Abdel Fatah Al-Sisi dem Vorwurf ausgesetzt, Komplize Israels im Krieg gegen die Bevölkerung des Gazastreifens zu sein, den er selbst vor wenigen Tagen als »systematischen Genozid« verurteilt hat.
Das zusätzliche Erdgas soll aus dem Unterwasserfeld Leviathan kommen, dem größten der Vorkommen vor der israelischen Küste. Als Verkäufer treten die drei Anteilseigner auf: die israelischen Unternehmen New Med Energy (45,3 Prozent) und Ratio Energies (15 Prozent) und der internationale Energiekonzern Chevron (39,66 Prozent). Vertragspartner als Käufer, praktisch könnte man von einer Art Makler und Zwischenhändler sprechen, ist das in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Unternehmen Blue Ocean Energy. Das jetzt bekanntgegebene Abkommen ergänzt und erweitert eine Vereinbarung zwischen den vier Beteiligten vom 26. September 2019. Auch bei dieser ging es schon um den Export von Erdgas aus dem »Leviathan«-Feld nach Ägypten.
Materieller Hintergrund ist die rasant zunehmende Kluft zwischen Ägyptens eigener Erdgasproduktion und seinem Verbrauch. Die dadurch entstandene Energiekrise hat sich in den beiden letzten Sommern so verschärft, dass es bei höchster Hitze immer wieder zu Stromabschaltungen kam. Das Land reagierte mit dem Import von Flüssigerdgas (LNG). Der Wert der Einfuhr soll im laufenden Jahr auf 19 Milliarden US-Dollar steigen, nachdem er 2024 bei 12 Milliarden lag. LNG ist erheblich teurer als Gas aus Israel sein könnte, das durch Pipelines fließt. Das gab den Ausschlag für das jetzt vereinbarte Geschäft.
Aufgrund des 2019 geschlossenen Abkommens bezieht Ägypten schon 4,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr aus Israel. Die jetzt vorgenommene Erweiterung der Vereinbarung sieht vor, dass diese Menge in einer ersten Phase, die 2026 beginnen soll, auf 6,7 Milliarden erhöht wird. 2029 soll eine zweite Stufe einsetzen, in der Ägypten jährlich 12 bis 13 Milliarden erhält.
Eine solche Steigerung des israelischen Exportvolumens setzt jedoch zunächst hohe Ausgaben für den Bau des Leitungsnetzes voraus. Für die zweite Stufe wäre eine ganz neue Pipeline nötig, deren Finanzierung noch ungesichert ist. Ende Mai meldeten die Medien, dass geschäftliche Differenzen über die Verteilung von Kostenlasten und Gasmengen den geplanten Bau einer 65 Kilometer langen Leitung verzögern, die das südisraelische Gasnetzwerk mit dem Osten der Sinaihalbinsel verbinden soll. Nach einer kleinen Ortschaft im Negev an der Stelle, wo die Leitung künftig einmal die Grenze überqueren soll, wird das Projekt als »Nitzana-Pipeline« bezeichnet.
In Wirklichkeit steht nicht einmal fest, dass der am Donnerstag von New Med Energy bekanntgegebene »Größte Deal in der Geschichte Israels« zustande kommt. Auf denselben Tag, den 7. August, ist ein Schreiben des Unternehmens im Namen der drei Verkäufer an die Security Authority, das ist eine israelische Regierungsbehörde zur Kontrolle des Außenhandels, und an die Börse von Tel Aviv datiert. Diese Mitteilung macht darauf aufmerksam, dass die zweite Stufe vom Vorhandensein mehrerer Bedingungen abhängig ist. Zu diesen gehören die Annahme einer endgültigen Investitionsentscheidung der Verkäufer über die Expansion des »Leviathan«-Reservoirs und ein Durchleitungsabkommen mit dem israelischen Staatsunternehmen, das für den Bau und Betrieb des nationalen Gasleitungssystems zuständig ist. Die wichtigsten Stellen dieses Schreibens besagen, dass es keine Gewährleistung (»no assurances) für den Zeitplan des angekündigten Gasverkaufs und nicht einmal für dessen Durchführbarkeit gibt.
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