Gegründet 1947 Mittwoch, 30. April 2025, Nr. 100
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 16.04.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Zollkrieg

Alpenrepublik übt sich in Gelassenheit

Schweiz: 31prozentige US-Zölle ausgesetzt. Politik und Unternehmen wollen 90-Tage-Frist nutzen
Von Kim Nowak
US_Zoelle_Reaktionen_85606972.jpg
Der Zollkrieg ließ die Börsen steigen und fallen, die Schweiz gibt sich gelassen

Der von US-Präsident Donald Trump ausgerufene Handelskrieg trifft auch die Schweiz. Bis kurz vor Erhebung der Extrazölle auf die Produkte aus der Eidgenossenschaft hatten dortige Unternehmen und auch die Schweizer Politiker etwas Hoffnung, sie würden nicht zu stark betroffen sein. Während für die EU zunächst 20 Prozent erhoben wurden, sollten Exporte aus der Alpenrepublik in die USA mit 31 Prozent zusätzlich verzollt werden. Weshalb die Zölle für Bern höher ausfallen sollten, liegt in den Wirrungen der Trumpschen Berechnungsmethoden begründet. Doch wurden die Anhebungen, wie für die EU, dann auch für Schweizer Warensendungen zunächst für 90 Tage ausgesetzt.

Das gibt den Unternehmen in der Schweiz zunächst Zeit, die eigenen Exportwege zu überdenken. Aber vor allem die Kunden in den USA, müssen sich nun überlegen, wie sie die höher ausfallenden Preise für schweizerisches Exportgut bezahlen können. Ein Großteil der Unternehmen werde die Aufschläge an die Kunden weitergeben und damit womöglich überwiegend erfolgreich sein, stellte ein Bericht der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) am Montag fest. Importierte Spezialmaschinen und Präzisionswerkzeuge könnten die US-Kunden demnach nicht so einfach ersetzen. Das vermutliche Ziel des US-Präsidenten, Unternehmen zur Produktion in den USA zu bewegen, werde nicht erreicht. Eher würden Unternehmen daran arbeiten, etwaige Abhängigkeiten von der US-Wirtschaft zu verringern.

Die Zollandrohung gab jedenfalls den Anlass für Gespräche zwischen den beiden Staaten. Auch ein Freihandelsabkommen stand im Raum. Daran scheint es wohl kein Interesse mehr zu geben. Als Antwort werde Bern wohl »mit guten Argumenten« reagieren, berichtete der SRF vergangene Woche: Schweizer Unternehmen würden bereits »viel in den USA« investieren. Besonders bei der »Forschung und Entwicklung« sei die Schweiz »Spitzenreiterin«. Und dort bezahle man auch Steuern, gab der Bericht zu bedenken. Sollte der Zollstreit der USA mit China weiter eskalieren, könnten Industriebetriebe aus der Schweiz sogar einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Produzenten aus den USA bekommen, stellte die NZZ fest. US-Firmen stünden angesichts steigender Preise für Rohstoffe und Vorprodukte aus China unter deutlich stärkerem Kostendruck.

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter hatte zur Zollanhebung der USA erklärt, man werde nun »rasch das weitere Vorgehen festlegen«. Für die Regierung stünden die langfristigen wirtschaftlichen Interessen des Landes im Vordergrund, »Treue zum internationalen Recht und Freihandel« blieben weiterhin »zentrale Werte« der Alpenrepublik. Das gilt bei näherem Hinsehen jedoch nur für westliche Handelspartner. Gegenüber Russland und Belarus zeigt sich Bern dagegen von einer anderen Seite und hat die Sanktionen der EU weitestgehend übernommen. Nach einem Bericht des SRF wurden zwischen November 2022 und September 2024 Waren im Wert von einer halben Million Franken (gut 541.000 Euro) aus der Schweiz nach Russland und Belarus gebracht. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) verhängte dafür insgesamt Geldstrafen in Höhe von 50.000 Franken. Das nur am Rande.

Der Schweizer Dachverband Economiesuisse hatte bezüglich der Zölle zunächst von einer »handelspolitischen Eskalation« gesprochen. Es ist trotz der markigen Äußerungen einiger Unternehmer nicht ausgeschlossen, dass Schweizer Firmen die höheren US-Importgebühren an die schweizerische Bevölkerung weitergeben. Die Vorstellung der Wirtschaftsredaktion vom SRF, die Unternehmen könnten die Kosten übernehmen, ist Wunschdenken. Würden die Gewinne sinken und »weniger für Investitionen bleiben« dürfte das automatisch schlechtere Bedingungen für die Beschäftigten bedeuten. Höhere Lebenshaltungskosten wären unweigerlich die Folge.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Ignazio Cassis, Außenminister der Schweiz, hier in Jordanien am ...
    11.02.2025

    Der Schweiz bleibt nur Freihandel

    Politisch im Westblock, wirtschaftlich für Offenheit. Zur Lateinamerikareise des Außenministers
  • »Es wird keine besseren Geschäftsmöglichkeiten auf der Welt gebe...
    13.03.2024

    Heiß auf Indiens Märkte

    EFTA-Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz schließen Handelsabkommen mit Indien. EU auf dem Abstellgleis
  • Wer sagt hier wem, wo es lang zu gehen hat? EU-Kommissionschefin...
    26.10.2023

    Geschwächte Verhandlungsmacht

    Angesichts der chinesischen und US-amerikanischen Konkurrenz in Lateinamerika gerät Brüssel unter Zugzwang. Zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen EU und Mercosur

Mehr aus: Kapital & Arbeit