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Und sie spielen ihn doch

Von Pierre Deason-Tomory
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Unter Beobachtung: Dmitri Schostakowitsch (1943)

»Schostakowitsch hat am Samstag seinen 50. Todestag.« – »Ein toter Roter ist ein guter Roter.« – »Dass man den überhaupt noch spielt.« – »Er war bestimmt heimlich gegen die Kommunisten.« – »Und gegen die Radfahrer.« – »Wieso Radfahrer?« – »Vergessen Sie’s.« – »Die Frage lautet doch: Kann ein Kommunist ein großer Komponist sein?« – »In meiner Tageszeitung werden heute zwei Radiosendungen angekündigt, die keine Antwort auf diese Frage versprechen«: »Hören Sie doch meine Musik – Schostakowitsch schweigt« (Mi., 15.04 Uhr, So., 13.04 Uhr, HR 2 Kultur) und »Die Parole lautet: Oktober und Lenin!« (DLF Kultur 2017, So., 15.05 Uhr). – »Die Frage ist ohnehin falsch gestellt, sie muss heute lauten: Kann ein Russe ein großer Komponist sein?« – »Was macht denn einen großen Komponisten aus?« – »Etwas wie die Leningrader Sinfonie.« – »Nach Butscha unspielbar.« – »Und was haben Sie sich zuletzt angehört?« – »Wagner.«

Anders als der Grünhügelhumanist denken erfreulicherweise manche Chefs unserer Kulturradios, diese bringen in der angebrochenen Woche die »7. Sinfonie C-Dur op. 60 Leningrader«, aufgeführt am 22. Mai vom Leipziger Gewandhausorchester und dem Boston Symphony Orchestra (Sa., 20.03 Uhr, BR Klassik, HR 2 Kultur, MDR Klassik, NDR Kultur, Radio 3, SR Kultur, SWR Kultur, WDR 3); »Dmitri Schostakowitschs Streichquartette«, das Asasello-Quartett spielt seine letzten Kompositionen (DLF, Genuin 2024, Mo., 21.05 Uhr, DLF); und »Historische Aufnahmen« des Meisters am Klavier auf seinem Weg »Vom Kino in den Konzertsaal« (Do., 22.05 Uhr, DLF).

Sonst im Programm: Das Feature »Ornament – kein Verbrechen? Eine Architekturrebellion gegen den Modernismus«, es erinnert u. a. daran, dass die Kritik am neuen Bauen früher Sache verstrahlter Hippies war (DLF 2025, Di., DLF Kultur). Üblen Klamauk haben sich die »Querköpfe« vorgenommen: »Ganz bewusst komplett daneben – Dirty Comedy« (Mi., 21.05 Uhr, DLF). In »Machos Klassiker der Philosophie« ist am Freitag die sechste Folge dran, Philipp Hauß liest Epikurs »Brief an Menoikeus« und darin die sichere Erkenntnis, dass, »sobald der Tod eintritt, wir nicht mehr leben werden« (11.05 Uhr, Ö 1).

Die Kunstwelt rüstet sich mit Nah- und Distanzwaffen für die Feierlichkeiten anlässlich der »70 Jahre Documenta« in Kassel, der HR stimmt ein mit turbulenten Tondokumenten der Ausstellungen von 1964 bis 1977 (Sa., 14 Uhr, HR 2 Kultur). Sklavenarbeiter hinter Gittern werden in Myanmar gezwungen, Menschen auf der ganzen Welt zu erpressen, das Stück »Legion« berichtet von einer neuen, völlig normalen Spielart des Kapitalismus (NDR, RBB, Undone 2025, Sa., 16.05 Uhr, Radio 3).

Drei vielversprechende Hörspiele werden am Wochenende angeboten. »Der Mann, der Donnerstag war«, olle Anarchoterroristenklamotte von Gilbert Keith Chesterton (NWDR 1950, Sa., 18.05 Uhr, NDR Kultur). »Ante oder der Thunfisch« von Joël László, absichtsvolles Scheitern beim Versuch, das Unwesen eines kroatischen Bürgerkriegsgenerals zu wägen (BR 2019, So., 15.05 Uhr, Bayern 2). Und »Fabian oder Der Gang vor die Hunde«, 70minütige Inszenierung von Joachim Staritz nach der unzensierten Fassung von Kästners Roman (Rundfunk der DDR 1986, So., 18.30 Uhr, DLF Kultur).

Schließlich beginnt am Montag eine vielstimmige Lesung von Laurent Binets erst im Frühling auf deutsch erschienenem historischen Roman »Perspektiven (1/15)«; die Hauptdarsteller: Maria Muttergottes, Mönche, Michelangelo und die Mordbuben der Medici. Na denn. (HR, MDR, NDR 2025, 9.04 und 19.04 Uhr, MDR Kultur).

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