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Wüsten

Von Helmut Höge
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Seltsam: Der Saharareisende Wolfgang Büscher schreibt in seinem Buch »Der Weg« (2025): »Wohin ich auch ging, ich blieb unter meinesgleichen ein Mann unter Männern. Immer nur Männer. Nie Frauen … Es fehlte die Grundspannung – die der Geschlechter. An diesen Orten (Oasen) knisterte nichts.«

Ich selbst bereiste zweimal die Wüste Gobi – und traf immer nur Frauen, nie Männer. Zunächst meine Fahrerin, eine junge Kasachin, und dann die Vorsitzenden von 80 Agrargenossenschaften. Eine erzählte mir, warum das so war: Die Männer bekamen von den aufgelösten Kolchosen das Vieh, aber sie wanderten damit nicht, was jedoch in der pflanzenarmen Gobi notwendig ist, und dann starben ihnen während zweier extremer Winter fast alle Tiere. Daraufhin probierten sie sich als Händler, aber sie waren den gewieften Chinesen nicht gewachsen. Woraufhin sie bloß noch deprimiert rumsaßen, aßen und sich betranken, so dass »wir Frauen uns schließlich zusammentaten«, Genossenschaften gründeten, dann in der Kreisstadt Geld verdienten, davon Vieh kauften und es so an die Frauen verteilten, dass jede die gleiche Anzahl besaß. »Unsere Genossenschaften ähneln den früheren Kolchosen, nur dass wir jetzt selbst bestimmen, was zu tun ist.«

In der Sahara bekam Büscher gesagt: »Denk immer dran, du bist (als weißer Tourist) eine Handelsware« – also Vorsicht. Es gibt dort bestechliche Soldaten, illegale Goldgräber, Menschenschmuggler, Räuber.

Am Rande der Gobi trifft man höchstens Goldschürfer, Familien, die am Sonntag Picknick machen, wobei der Mann in den Flüssen Gold aussiebt. Und die »Touristenfalle«, das sind dort die vielen Steine: Wenn man anfängt, sie zu sammeln, guckt man nur noch nach unten.

Büscher steuerte mit seinen Tuaregführern eine Einsiedelei unweit der Oase Tamanrasset im Süden Algeriens an, die sich der französische Offizier Vicomte Charles de Foucauld auf einem windumtosten Berg gebaut hatte, um dort als Eremit ein Wörterbuch der Tuaregsprache zu verfassen und die Nomaden zu missionieren. Er wurde 1916 von Anhängern des libyschen Senussi-Ordens ermordet.

In der Gobi fragte ich nach der Festung von Dampignak, der sich zum Herrn über die Südgobi aufschwang – und die russischen sowie chinesischen Okkupanten bekämpfte. Bis er von den Russen gefangengenommen und in Sibirien inhaftiert wurde. Die Revolution befreite ihn: Kein geringerer als der »Schwejk«-Autor Jaroslav Hašek, der als Kommissar der Roten Armee in Irkutsk für die Kriegsgefangenen zuständig war, entließ Dampignak in die Heimat, wo er erneut den Freiheitskampf aufnahm – gegen die Kosaken des weißen Barons Ungern von Sternberg, der zuvor die Chinesen vertrieben und Ulaanbaatar erobert hatte. Dessen Truppen wurden 1921 vom mongolischen Aufstandsführer Sukhbaatar mit Hilfe der Roten Armee besiegt und vernichtet. Wenig später ließ Sukhbaatar auch Dampianak umbringen, der sich mit seinen Leuten in seine Festung zurückgezogen hatte.

So wie Büscher den berühmten »Charles de Jesus« aus Büchern kannte, wusste ich von Dampignak aus den Büchern des Konstanzer Drogisten Fritz Mühlenweg, der in den Dreißigerjahren mehrmals mit Kamelen von China aus in die Gobi aufbrach: »Dreimal habe ich die Mongolei bereist, und jedes Mal war es schöner.« 1973 hat die Mongolistin Veronica Veit Näheres über Dampignak in den »Serta Tibeto-Mongolica« veröffentlicht.

In der Sahara wie auch in der Gobi leben Wildesel, ich sah die scheuen Tiere kurz im Vorbeifahren. Hier wie dort gibt es auch Kamele, ebenso neolithische Felsmalereien und endlose »singende Sanddünen«. Während die Tuareg unterwegs kleine Vogeltränken bauen, u. a. für den Saharasteinschmätzer, schaffen die mongolischen Besitzer von Touristencamps beim Bau ihrer Gebäude Nistplätze unterm Dach, die bei Spatzen, Schwalben und Finken begehrt sind.

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