Weimers Sorgen
Von Peter Merg
Eins muss man Wolfram Weimer lassen: Er ist vorhersehbar. Erst kürzlich wurde hier geunkt, der Kulturstaatsminister vertreibe sich die Zeit mit dem Streichen von Gendersternchen aus unterschriftreifen Papieren seiner Vorgängerin. Da bestätigt der Wunderwuzzi des Kulturverwesens der Bild am Sonntag, er habe seiner Behörde die Verwendung gendergerechter Sprache untersagt: »Beim Beauftragten für Kultur und Medien im Kanzleramt gelten die Regeln der deutschen Sprache. Im Kanzleramt wird in Briefen, E-Mails und Vermerken nicht gegendert.«
Bildungsminimiererin Karin Prien (CDU) sowie der Fürst von Bayern, Franken und in Schwaben etc. etc. (CSU) hatten bereits ähnliche Hausordnungen erlassen, aber beim Schaum- wie beim Alarmschlagen macht Merzens Untermieter niemand was vor: Das Gendern vertiefe »die Spaltung unserer Gesellschaft. Sprache soll verbinden, nicht trennen«, pathetet er von der Kanzel, pardon, aus dem Kanzleramt; deshalb lasst ab, ihr sündigen Ministerialbeamten, auf dass ihr nicht werdet wie die sibyllinischen Studenten, die nur mehr Studierende sein wollen. Schließlich gehe es nicht nur um die »Schönheit unserer Sprache«, die durch »unnötige Eingriffe« Schaden nehme, nein, gar um den Erhalt »unserer Sprachkultur im Land der Dichter und Denker«.
Soweit der kleine Geist, der Großes vor hat, nämlich »die Korridore des Sagbaren, Erkundbaren und Darstellbaren möglichst weiten, anstatt sie zu verengen«, wie uns Weimer noch im Juni schwor. Was sich am besten mittels neuer Verbote erreichen lässt. So fragwürdig Wortbinnenzeichen auch sein mögen: Im Dichten und Denken kann Weimer keiner.
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