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Aus: Ausgabe vom 29.07.2025, Seite 8 / Ansichten

Trumps Zollweltkrieg

EU, China und US-Handelspolitik
Von Jörg Kronauer
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Der aus dem französischen Le Havre kommende Containerfrachter »MSC Ronit R« im Hafen von Newark, New Jersey (27.7.2025)

Die Perspektiven sind schlecht, und es fallen drastische Worte in der deutschen Industrie, in ihren Verbänden, in ihren Denkfabriken. 15 Prozent Zoll auf fast alles, was deutsche Unternehmen bislang in die USA exportierten: Das kostet die deutsche Wirtschaft Milliarden, und es belastet zwei ihrer drei Paradebranchen – die Kfz-Hersteller und den Maschinenbau – besonders schwer, dies übrigens exakt zu einem Zeitpunkt, zu dem ihre Exporte nach China einbrechen. Und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre: US-Präsident Donald Trump behält sich auch noch Zölle auf Pharmazeutika vor. Es herrscht Einigkeit unter den Auguren: Die Ausfuhr der deutschen Industrie in die USA, ihren Absatzmarkt Nummer eins, wird schrumpfen, und das wird sich nicht ausgleichen lassen. Der im Niedergang begriffenen Exportmacht, die bereits jahrelang sinkende Ausfuhren hinnehmen musste, verpasst das voraussichtlich ein drittes Jahresminus und damit einen harten Schlag.

Ungewohnt heftig waren denn auch die Reaktionen aus der deutschen Wirtschaft auf den Deal, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag abnickte: Eine »Demütigung« sei er, eine »Kapitulation«. Da fanden sich deutsche Ökonomen komplett auf der Seite französischer Politiker wieder, die auf nahezu das gleiche Vokabular zurückgriffen, wenn auch aus anderen Gründen. Ihre Wirtschaft wird zwar weniger stark getroffen als die deutsche; doch verwiesen nicht zuletzt Regierungsmitglieder darauf, dass die EU den Anspruch erhebe, eine globale Großmacht zu sein – wenn auch eher nicht militärisch, so doch ökonomisch. Wer aber schwach verhandle, wer, wie von der Leyen, auch nicht ansatzweise auf Willkürzölle mit Gegenzöllen reagiere und anschließend eine miserable Vereinbarung akzeptiere, habe diesen Anspruch verloren. Nebenbei: Für von der Leyen verheißt das vermutlich auch persönlich nichts Gutes.

Als eigentlicher Sieger in Trumps Zollweltkrieg zeichnet sich aktuell China ab, das am Montag in Stockholm Verhandlungen über eine Verlängerung seines Zoll-»Waffenstillstands« mit den USA führte. Der Volksrepublik ist es als einzigem Staat weltweit gelungen, die US-Administration zum Einknicken, zur Rücknahme des größten Teils ihrer Zölle zu zwingen. Dazu hat Beijing geschickt ausgenutzt, dass zum einen wegen des sich abzeichnenden zollbedingten Preisanstiegs an der »MAGA«-Basis Ärger drohte – und dass zum zweiten die US-Industrie von unverzichtbaren seltenen Erden aus China abhängig ist. Damit hat die Volksrepublik, langfristig planend, sich mächtige Hebel gesichert, die es ihr erlauben, sich gegen Washington zu behaupten. Im Unterschied zur EU schwadroniert sie nicht endlos selbstverliebt über ihre Ansprüche; sie arbeitet still und hart daran, stärker zu werden. Dies haben viele lange Zeit übersehen. Jetzt aber zahlt es sich aus.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (30. Juli 2025 um 11:39 Uhr)
    »Im Unterschied zur EU schwadroniert sie [die VR China] nicht endlos selbstverliebt über ihre Ansprüche; sie arbeitet still und hart daran, stärker zu werden.« Ein seltsames Statement. Befindet sich Kronauer da an der Seite des Bundesverband der Deutschen Industrie, der fordert »Die EU muss jetzt zeigen, dass sie mehr ist als ein Binnenmarkt – sie muss Machtfaktor sein«? Distanz oder gar Gegnerschaft zum imperialistischen Projekt EU sieht anders aus.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (30. Juli 2025 um 09:35 Uhr)
    Ist es nicht bezeichnend – und geradezu fatal –, dass ausgerechnet China als Gewinner aus diesem Zollkonflikt hervorgeht, dem einzigen ernstzunehmenden globalen Rivalen der USA? Umgekehrt steht ebenso eindeutig fest: Die EU zählt zu den Verlierern. Dieses eigens verursachte Eigentor des Westens zeigt deutlich, dass das rund fünfhundert Jahre währende westliche Dominanzmonopol seinem Ende entgegengeht. Die Weltordnung verschiebt sich – zurück hin zu einer multipolaren Struktur, in der historische Hochkulturen wie China und Indien wieder zunehmend die ihnen gebührende Rolle einnehmen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (29. Juli 2025 um 08:55 Uhr)
    Trumps Zollpolitik ist gewiss eine enorme Last für die Weltwirtschaft. Dass die EU-Granden versuchen, diese Last zu mindern und Zeit zu gewinnen, bis diese Politik ihre verheerenden Folgen auch in den USA zu zeigen beginnt, ist nicht ganz unverständlich. Wenn man eine direkte Konfrontation mit den USA nicht wagen kann - und das ist eben das reale Dilemma der EU - bleibt vorläufig der einzig gangbare Weg, auf Zeit zu spielen. Auch wenn das einen Gang nach Canossa bedeutet, das diesmal auf einem Trumpschen Golfplatz in Schottland lag. Das historische Vorbild hat schließlich bewiesen, dass es nicht auf die Ehre ankommt, wenn man zu Kreuze kriecht, sondern darauf, irgendwie Kopf und Kragen retten zu können. Dass die EU-Führung versucht, auf Zeit zu spielen, ist nicht gänzlich unverständlich. Schließlich droht die Trumpsche Zollpolitik verheerende Folgen nicht nur für die Konkurrenten der USA, sondern letztendlich auch für die USA selbst zu produzieren. Natürlich können die USA Zölle von einem Tag auf den anderen beschließen und durchsetzen, um ungeliebte Konkurrenten auf ihrem heimischen Markt auszubooten. Was sie nicht von einem Tag auf den anderen können ist, jene Produktionskapazitäten ins eigene Land zurückzuholen, die sie bewusst im Zuge der neoliberalen Globalisierung über Jahrzehnte ins Ausland verlagert haben. Solche Kapazitäten wieder aufzubauen, kann Jahre und Jahrzehnte dauern. Bis sie geschaffen sind, setzt der Zoll zwar einen deutlichen Anreiz für potentielle heimische Produzenten. Aber wegen der durch die Erhöhung der Inlandspreise künstlich geschaffenen Marktlücken schafft sie auch Raum für Disproportionen und temporäre Wachstumshemmnisse. Die EU-Führung setzt darauf, dass die in den USA entstehenden Probleme über kurz oder lang zu einer Korrektur in der Politik führen werden. Denn obwohl sich Trump fast immer als der historische Höhepunkt des Landes inszeniert: Das Ende der Geschichte ist (hoffentlich) mit ihm längst noch nicht erreicht.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (29. Juli 2025 um 03:51 Uhr)
    »Die Ausfuhr der deutschen Industrie in die USA, ihren Absatzmarkt Nummer eins, wird schrumpfen, und das wird sich nicht ausgleichen lassen.« Der Fehler besteht nicht darin, dass die USA wieder mehr Industrie ins eigene Land holen wollen und Importe erschweren. Trump macht es in diesem Punkt richtig, aber unsere Exporteure machen es falsch. Der Fehler besteht darin, sich auf einem Absatzmarkt Nummer eins zu verlassen, in dem der Staat und die meisten Privatpersonen der USA hoch verschuldet sind. Diesem Konsum auf Pump waren irgendwann ohnehin Grenzen gesetzt, die nunmehr erreicht sind. Einst wurde ja ein »gemeinsamer Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok« vorgeschlagen (der Albtraum der USA). Dieser Vorschlag wurde abgelehnt, wie auch die damalige Anfrage Wladimir Putins beim US-Präsidenten Clinton nach Mitgliedschaft Russlands in der NATO. Das hätte sehr viel Geld gespart, eine wirkliche Friedensdividende erbracht. Es wäre der Wirtschaftskraft der EU zugute gekommen. Waffenkäufe innerhalb der NATO anteilig in Russland bei Anpassung der Systeme, ohne diese Feindschaft zu Russland hätte einhundertmal mehr Geld gespart, als der jetzige wirtschaftliche Druck der USA kostet. Noch mehr hätte die Wirtschaft profitieren können bei Auflösung der NATO oder Neutralität Deutschlands. Doch die NATO, eben unter alleiniger Führung der USA, ist neben wirtschaftlichem Druck das zweite Standbein für den Imperialismus der USA und für die erzwungenen und überteuerten Lieferungen der dortigen Waffenindustrie. Sie ist die Fremdenlegion der USA, ihr Knüppel. Die Proteste richten sich gegen das falsche Objekt (Zölle). Austritt aus der NATO, radikale Abrüstung und militärische Neutralität Deutschlands sind gefragt sowie die Herstellung gegenseitig vorteilhafter Wirtschaftskontakte mit den BRICS-Staaten. Aber die Diskussion wird wie immer fortgelenkt vom eigentlichen Problem.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (28. Juli 2025 um 20:18 Uhr)
    Was heißt: »verheißt das vermutlich auch persönlich nichts Gutes« für Oma Leyen, dem ehemaligen Fräulein Albrecht? Die kann doch von den Zinnen ihrer Burg grinsen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Wie lange wird der mächtige Hebel »seltene Erden« lang bleiben? Ich fürchte, die Zeichen der Zeit deuten längerfristig eher auf Sturm als auf gut Wetter.

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