Trumps Zollweltkrieg
Von Jörg Kronauer
Die Perspektiven sind schlecht, und es fallen drastische Worte in der deutschen Industrie, in ihren Verbänden, in ihren Denkfabriken. 15 Prozent Zoll auf fast alles, was deutsche Unternehmen bislang in die USA exportierten: Das kostet die deutsche Wirtschaft Milliarden, und es belastet zwei ihrer drei Paradebranchen – die Kfz-Hersteller und den Maschinenbau – besonders schwer, dies übrigens exakt zu einem Zeitpunkt, zu dem ihre Exporte nach China einbrechen. Und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre: US-Präsident Donald Trump behält sich auch noch Zölle auf Pharmazeutika vor. Es herrscht Einigkeit unter den Auguren: Die Ausfuhr der deutschen Industrie in die USA, ihren Absatzmarkt Nummer eins, wird schrumpfen, und das wird sich nicht ausgleichen lassen. Der im Niedergang begriffenen Exportmacht, die bereits jahrelang sinkende Ausfuhren hinnehmen musste, verpasst das voraussichtlich ein drittes Jahresminus und damit einen harten Schlag.
Ungewohnt heftig waren denn auch die Reaktionen aus der deutschen Wirtschaft auf den Deal, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag abnickte: Eine »Demütigung« sei er, eine »Kapitulation«. Da fanden sich deutsche Ökonomen komplett auf der Seite französischer Politiker wieder, die auf nahezu das gleiche Vokabular zurückgriffen, wenn auch aus anderen Gründen. Ihre Wirtschaft wird zwar weniger stark getroffen als die deutsche; doch verwiesen nicht zuletzt Regierungsmitglieder darauf, dass die EU den Anspruch erhebe, eine globale Großmacht zu sein – wenn auch eher nicht militärisch, so doch ökonomisch. Wer aber schwach verhandle, wer, wie von der Leyen, auch nicht ansatzweise auf Willkürzölle mit Gegenzöllen reagiere und anschließend eine miserable Vereinbarung akzeptiere, habe diesen Anspruch verloren. Nebenbei: Für von der Leyen verheißt das vermutlich auch persönlich nichts Gutes.
Als eigentlicher Sieger in Trumps Zollweltkrieg zeichnet sich aktuell China ab, das am Montag in Stockholm Verhandlungen über eine Verlängerung seines Zoll-»Waffenstillstands« mit den USA führte. Der Volksrepublik ist es als einzigem Staat weltweit gelungen, die US-Administration zum Einknicken, zur Rücknahme des größten Teils ihrer Zölle zu zwingen. Dazu hat Beijing geschickt ausgenutzt, dass zum einen wegen des sich abzeichnenden zollbedingten Preisanstiegs an der »MAGA«-Basis Ärger drohte – und dass zum zweiten die US-Industrie von unverzichtbaren seltenen Erden aus China abhängig ist. Damit hat die Volksrepublik, langfristig planend, sich mächtige Hebel gesichert, die es ihr erlauben, sich gegen Washington zu behaupten. Im Unterschied zur EU schwadroniert sie nicht endlos selbstverliebt über ihre Ansprüche; sie arbeitet still und hart daran, stärker zu werden. Dies haben viele lange Zeit übersehen. Jetzt aber zahlt es sich aus.
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