Gegründet 1947 Sa. / So., 13. / 14. September 2025, Nr. 213
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 29.07.2025, Seite 1 / Titel
Zollvereinbarung

Trump quetscht EU

US-Präsident setzt Zölle in Höhe von 15 Prozent durch. Gemischte Reaktionen in deutscher Industrie
Von Arnold Schölzel
1 montage Kopie.jpg
Sie quietschen noch, die EU-Europäer, aber Donald Trump hat das Gummitier im Griff

Klarstellung eines Kräfteverhältnisses und Ungleichgewichts: Die EU muss ab 1. August Zölle von 15 Prozent auf den Großteil ihrer Ausfuhren in die USA zahlen. Darauf »einigten« sich am Sonntag abend US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf einem Golfplatz Trumps in Schottland. Der »Deal« wurde erpresst: Trump hatte gedroht, Zölle in Höhe von 30 Prozent für EU-Importe zu erheben.

Mit Erfolg: Die EU erlässt die meisten ihrer Zölle auf US-Importe, etwa auf Autos, während die US-Zölle für EU-Einfuhren im Durchschnitt um mehr als zehn Prozent im Vergleich zur Zeit vor Trumps zweitem Amtsantritt steigen. Die EU sagt zudem den Einkauf von Energie – LNG-Gas und Uran – in den USA in Höhe von jährlich je 250 Milliarden US-Dollar zwischen 2026 und 2028 sowie Investitionen von 600 Milliarden Euro zu. Den Hauptanteil soll der Ankauf von Rüstungsgütern ausmachen. Der FAZ sagte der Ökonom Clemens Fuest dazu, das sei »eine Demütigung für die EU«, reflektiere aber »nur die realen Machtverhältnisse«: »Solange die EU-Staaten militärisch von den USA abhängig sind, können sie mit den USA nicht wirklich hart verhandeln.«

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) begrüßte noch am Sonntag abend in einer Pressemitteilung die Vereinbarung. Damit werde »eine unnötige Eskalation in den transatlantischen Handelsbeziehungen« vermieden. Ein Konflikt hätte »die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart getroffen«, insbesondere die Autoindustrie: »Wir haben so unsere Kerninteressen wahren können.«

In EU und deutscher Industrie gab es dem entgegengesetzte Bewertungen. Der französische Premierminister François Bayrou sprach am Montag von »einem schwarzen Tag« für die EU. Es sei traurig, dass »ein Bündnis freier Länder« sich nun zur »Unterwerfung« entschlossen habe. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ätzte auf Facebook: »Präsident Donald Trump hat Kommissionspräsidentin von der Leyen zum Frühstück verspeist.« Er sei »ein Schwergewicht«, die EU-Repräsentantin »ein Federgewicht«.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sah am Montag »immense negative Auswirkungen«. Die Vereinbarung sei »ein unzureichender Kompromiss« und sende »ein fatales Signal«. Ein »zusätzlicher Tiefschlag« sei, dass die US-Zölle auf Stahl und Aluminium in Höhe von 50 Prozent bestehen blieben. Dem folgte Markiges: »Die EU muss jetzt zeigen, dass sie mehr ist als ein Binnenmarkt – sie muss Machtfaktor sein«. »Wir« bräuchten eine ökonomische Strategie und »den politischen Willen, im globalen Machtgefüge selbstbewusst mitzuspielen«. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) nannte die Vereinbarung dagegen eine »dringend benötigte Atempause«, der industriepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, Mirze Edis, wiederum »schlicht eine Unterwerfung«. Für die Stahl- und Aluminiumindustrie handele es sich faktisch um »einen Wirtschaftsboykott«. AfD-Kofraktionschefin Alice »Hitler war Kommunist« Weidel ließ mitteilen, von der Leyen habe versagt, die EU-Kommission sei »fixiert auf ökosozialistische Planwirtschaft, schrankenlose Migration und umfassende Zensurprojekte«.

Im Zollkonflikt zwischen den USA und China sollten die Gespräche am Montag und Dienstag weitergehen. US-Finanzminister Scott Bessent und der chinesische Vizeministerpräsident He Lifeng wollten sich hierzu in Stockholm treffen. Ein Einknicken Chinas wird nicht erwartet.

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (30. Juli 2025 um 09:38 Uhr)
    Die jüngste Vereinbarung zwischen der EU-Kommissionspräsidentin und dem US-Präsidenten wirft grundlegende Fragen zur strategischen Handlungsfähigkeit der Europäischen Union auf. Wenn die transatlantischen Beziehungen derart einseitig gestaltet werden, stellt sich die Frage, welche Vorteile ein solches Bündnis der EU tatsächlich noch bringt. Trumps Auftrag scheint klar: Im Namen des US-Dollar-Privatimperiums müssen neue parasitär ausbeutbare Wirte gefunden werden – denn die eigene Staatswirtschaft ist ausgezehrt. Während China den Trump-Zöllen die Stirn bieten konnte und Russland Widerstand leistet, fehlt es der EU sowohl an den Mitteln als auch am politischen Willen, ernsthaft gegenzuhalten. Sie bleibt also auf der Strecke. Besonders beunruhigend ist die Frage: In wessen Namen handelt Frau von der Leyen eigentlich? Laut rechtlicher Grundlage hat sie die Interessen der EU zu vertreten – aber sie hat weder ein demokratisches Mandat noch die Autorität, derartige zusätzliche Belastungen im Namen der EU einseitig zu akzeptieren. Das aktuelle Abkommen wirkt daher eher wie ein einseitiges Zugeständnis als wie ein ausgewogener Kompromiss. Es wäre höchste Zeit, dass an der Spitze der EU jemand steht, der strategischen Durchblick besitzt und bereit ist, die europäischen Interessen konsequent zu verteidigen. Wohin führt es, wenn die EU unter Ursula von der Leyen schlechte Beziehungen zu Russland, China und nun auch den USA pflegt? Ein Bündnis, das sich auf allen Fronten isoliert, schwächt sich selbst – und verliert zunehmend an globalem Einfluss.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (29. Juli 2025 um 10:51 Uhr)
    Bei der Zollvereinbarung handelt es sich um eine »Klarstellung eines Kräfteverhältnisses und Ungleichgewichts«, schreibt Arnold Schölzel und fügt hinzu: »Der ›Deal‹ wurde erpresst«. Man kann das auch anders sehen: Trump versucht mit den Zöllen das Handelsdefizit der USA auszugleichen. Heiner Flassbeck, von 1998 bis 1999 Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, hat zwar was EU und Kapitalismus betrifft, so seine Illusionen, aber zum Thema Kräfteverhältnisse und Ungleichgewicht eine eigene Meinung, siehe »US-Zölle: Trump hat Recht – Sein Faktenblatt zerstört den deutschen Merkantilismus« (https://www.relevante-oekonomik.com/2025/04/03/us-zoelle-trump-hat-recht-sein-faktenblatt-zerstoert-den-deutschen-merkantilismus/) oder ganz aktuell »Wenn die Unfairen die Unfairness beklagen« vom 29. Juli 2025 (https://www.relevante-oekonomik.com/2025/07/29/wenn-die-unfairen-die-unfairness-beklagen/)
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (29. Juli 2025 um 10:06 Uhr)
    Halten wir mal fest: Wenn die EU solche Freunde hat, braucht sie keine Feinde mehr! Die jüngste Vereinbarung zwischen der EU-Kommissionspräsidentin und dem US-Präsidenten wirft grundlegende Fragen zur strategischen Handlungsfähigkeit der Europäischen Union auf. Wenn die transatlantischen Beziehungen derart einseitig gestaltet werden, stellt sich die Frage, welche Vorteile ein solches Bündnis der EU tatsächlich noch bringt. Trumps Auftrag scheint klar: Im Namen des US-Dollar-Privatimperiums müssen neue parasitär ausbeutbare Wirte gefunden werden – denn die eigene Staatswirtschaft ist ausgezehrt. Während China den Trump-Zöllen die Stirn bieten konnte und Russland Widerstand leistet, fehlt es der EU sowohl an den Mitteln als auch am politischen Willen, ernsthaft gegenzuhalten. Sie bleibt also auf der Strecke. Besonders beunruhigend ist die Frage: In wessen Namen handelt Frau von der Leyen eigentlich? Laut rechtlicher Grundlage hat sie die Interessen der EU zu vertreten – aber sie hat weder ein demokratisches Mandat noch die Autorität, derartige zusätzliche Belastungen im Namen der EU einseitig zu akzeptieren. Das aktuelle Abkommen wirkt daher eher wie ein einseitiges Zugeständnis als wie ein ausgewogener Kompromiss. Es wäre höchste Zeit, dass an der Spitze der EU jemand steht, der strategischen Durchblick besitzt und bereit ist, die europäischen Interessen konsequent zu verteidigen. Wohin führt es, wenn die EU unter Ursula von der Leyen schlechte Beziehungen zu Russland, China und nun auch den USA pflegt? Ein Bündnis, das sich auf allen Fronten isoliert, schwächt sich selbst – und verliert zunehmend an globalem Einfluss.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (29. Juli 2025 um 02:45 Uhr)
    »Solange die EU-Staaten militärisch von den USA abhängig sind, können sie mit den USA nicht wirklich hart verhandeln.« Die EU ist nicht von den USA militärisch abhängig, weil sie von niemandem militärisch bedroht wird. Sie macht sich freiwillig abhängig, weil die Bevölkerung mehrheitlich Politiker wählt, welche im Sinne der USA agieren statt für das eigene Land. Die besonders US-hörige EU-Führung ist überhaupt nicht von der Bevölkerung gewählt. »Ein Konflikt hätte «die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart getroffen», insbesondere die Autoindustrie: «Wir haben so unsere Kerninteressen wahren können.» Das klingt ja noch fast so wie «unsere DDR». Aber das war nach offizieller Lesart niemals «unser» Deutschland und nicht bewahrenswert. Doch die Autoindustrie soll nun «unsere» Kerninteressen darstellen, nachdem die westdeutschen Konzerne große Teile der noch rettbaren Industrie der neuen Bundesländer bewusst plattgemacht haben. Jetzt soll das ganze Land Solidarität zeigen. So, wie ihr gehandelt habt, wen ihr gewählt habt, werdet ihr auch von den USA oder Russland behandelt werden. Warum musste denn die deutsche Wirtschaft unbedingt so einseitig exportorientiert sein? Ist der Profit in die Taschen der Arbeitnehmer geflossen? «Es sei traurig, dass »ein Bündnis freier Länder« sich nun zur »Unterwerfung« entschlossen habe.» Nun? Die BRD seit 1949 und Frankreich spätestens seit der Amtszeit von Sarkozy.« »Wir« bräuchten eine ökonomische Strategie und »den politischen Willen, im globalen Machtgefüge selbstbewusst mitzuspielen«. Eine Strategie hat die EU doch: Konfrontation gleichzeitig mit China und Russland plus Unterwerfung unter die USA. Wir brauchen eine Abkehr von der bisherigen Strategie und Politiker, welche dies den Wählern begreiflich machen. Da alle Massenmedien transatlantisch dominiert sind, dürfte dies solange nicht eintreten, bevor es nicht zu einer völligen Katastrophe gekommen sowie einem ernsten wirtschaftlichen Schwächeanfall der USA.
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (28. Juli 2025 um 21:06 Uhr)
    In dem flächenmäßig vergleichsweise winzigen, aber umso dichter besiedelten West- und Mitteleuropa, dieser Halbinsel zwischen drei sich immer schneller erwärmenden Meeren, will man den apokalyptischen Schuss noch immer nicht hören. Der gestern der EU von den USA verordnete »Deal« ist, insbesondere was die aufgezwungene Verpflichtung zum Import gigantischer Mengen des umweltzerstörenden LNG betrifft, ein verheerender Brandbeschleuniger hin zur totalen Klimakatastrophe, angesichts dessen sich jede weitere Diskussion über irgendwelche Klimaschutzziele erübrigt hat. Eine derartige Unterwerfung kommt einem kollektiven Suizid gleich.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (29. Juli 2025 um 15:34 Uhr)
      »Eine derartige Unterwerfung« würde ich eher als Vorbereitung zum langfristigen Völkermord als als kollektiven Suizid einordnen. Die Abschottung nach außen korrespondiert europaweit mit innerer Diskriminierung von Bevölkerungsteilen und einer Austeritätspolitik. Anschaulich machen kann man sich das an den unzugänglichen mittelalterlichen Burgen. Wann entstehen die ersten halbmilitärisch abgeschotteten Reichenbezirke in Deutschland? Oder gibt es die schon?

Ähnliche:

  • Robotosiert, auskömmlich und zukunftsträchtig: Industriearbeitsp...
    20.05.2025

    Goodbye, Globalisierung

    Trump macht vor, wie Industriepolitik nicht funktioniert. EU und BRD müssen von China lernen
  • Der internationale Handelsclinch hat Folgen: Produzierte Vehikel...
    08.04.2025

    Bazooka mit Rückstoß

    Donald Trumps Zolloffensive provoziert Reaktionen. US-Wirtschaft mit mehreren Schwachstellen

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro