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Aus: Ausgabe vom 29.07.2025, Seite 7 / Ausland
»Russiagate«

Kompetenzgerangel im »tiefen Staat«

Dokumente veröffentlicht: US-Geheimdienstkoordinatorin will »Verschwörung« gegen Trump belegen
Von Luca Schäfer
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Gabbard will die Gunst von US-Präsident Trump gewinnen (Washington, 23.7.2025)

Es wirkt wie bestellt: Während der Ruf von US-Präsident Donald Trump durch seine Verbindungen zu Investmentbanker und Sexualstraftäter Jeffrey Epstein und seine Fehde mit dem Medienmilliardär Rupert Murdoch in rechten Fox News-Kreisen beschädigt ist, kommt Ablenkung. Tulsi Gabbard, seit Februar Direktorin der Nationalen Nachrichtendienste (DNI), hat Dokumente über die Wahlkampfzeit 2016 und angebliche russische Einmischung – »Russiagate« – veröffentlicht. Während einer überraschenden Pressekonferenz im Weißen Haus trat Gabbard am Donnerstag vor die Medien und hielt die angeblich entscheidenden Dokumentenbeweise demonstrativ in die Höhe. Ihre zentrale These: Die Obama-Administration hat damals eine »verräterische Verschwörung« angezettelt, um Trump fälschlicherweise mit Russland in Verbindung zu bringen und seine Wahl zu delegitimieren.

Doch Gabbard veröffentlichte lediglich den freigegebenen Bericht des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses aus dem Jahr 2020. Dieser soll eindeutig belegen, dass es keine Parteinahme für Trump aus Moskau gab. Die damals befassten Geheimdienste hätten zentrale Informationen ausgeklammert, um einen falschen Eindruck zu generieren. Die zuletzt stark kritisierte US-Justizministerin Pam Bondi kündigte an, eine spezielle »Strike Force« einzurichten, um die Dokumente zu prüfen.

Im Fokus der Anschuldigungen stehen der ehemalige FBI-Direktor James Comey und der ehemalige CIA-Direktor John Brennan. Beide sollen ihren Teil zur Entstehung der »Russiagate«-Erzählung beigetragen haben. Der Vorwurf, den ein aktueller Kommentar in der New York Times stützt, bezieht sich zudem auf schwerwiegende methodische Arbeitsfehler. Demnach wurde auf Standardprüfungen verzichtet.

Problematisch ist jedoch, dass die von Gabbard veröffentlichten Dokumente, wie AP berichtete, jene Aussagen nicht stützen. Denn sie belegen nicht, dass das Steele-Dossier der ausschlaggebende Bezugspunkt für die Entscheidung der Geheimdienste gewesen ist, die »Russiagate«-These zu forcieren. Jenes Dossier, benannt nach Christopher Steele (ehemaliger MI6-Offizier), ist eine schlecht belegte Ansammlung von Anschuldigungen, finanziert durch politische Gegner Trumps. Demnach sei Trump durch kompromittierendes Material von Moskau erpresst worden, und Russland habe sich konspirativ in die Wahlen eingemischt. Die Investigativplattform Politifact kommt zu dem Schluss, dass Gabbards Interpretation stark überzeichnet sei. Statt auf dem Steele-Dossier allein zu basieren, würden sich die Erkenntnisse der Geheimdienste etwa auch auf einen angeblichen CIA-Informanten im russischen Umfeld und nachrichtendienstliche Abgleiche stützen.

Dies wirft die Frage auf, warum Gabbard für Trump auftritt. Auf der Hand liegt: Sie ist ein aufstrebender Günstling. Sie war zuvor einfache Kongressabgeordnete und bis 2024 Mitglied der Demokraten. Gabbard besitzt keine Erfahrung in der Geheimdienstwelt, aber Vorbehalte gegen diese und eine generelle Antipathie gegen Überwachungsmechanismen wie den »Patriot Act«. Sie lehne eine Politik ab, die die USA immer näher an einen nuklearen Krieg führe. Laut Al-Dschasira ist sie damit russischen Positionen nahe, und in ihrem Friedenswillen für die Ukraine geht sie über Trump hinaus: Laut einer Analyse von Responsible Statecraft, dem Magazin des außenpolitischen Thinktanks Quincy Institute, warnt sie vor einer neuen Kalten-Kriegs-Rhetorik.

Die Trump-Regierung benötigt im immer offener zutage tretenden Richtungsstreit gute Argumente, um sich aus der Ukraine zurückzuziehen. Innenpolitisch braucht sie Ablenkung von der Causa Epstein und vermittelt den eigenen Anhängern mit dem Vorstoß Gabbards ein vermeintliches Heldenepos: Trump ließ sich durch die Intrigen Obamas, so die Interpretation, nicht aufhalten. Insgesamt zeigt der Auftritt, dass das Kompetenzgerangel im »tiefen Staat« der USA längst nicht ausgestanden ist – die Bandagen werden härter. Es gilt, skeptisch zu bleiben, ob Gabbard und Co. dem Frieden in Europa tatsächlich dienen wollen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (28. Juli 2025 um 21:50 Uhr)
    Zum »immer offener zutage tretenden Richtungsstreit« kann ich nur die Lektüre des Buches von Wolfram Elsner »Die Zeitenwende, China, USA und Europa nach Corona« empfehlen (PapyRossa, 2021). Elsner geht detailliert auf die Auseinandersetzungen zum Ende von Trumps erster Amtszeit ein und beschreibt das verkommene politische US-(Wahl-)System. Argumente, gar gute, spielen eine sehr untergeordnete Rolle. Man betrachte beim Lesen auch die hiesigen Epigonen (»Atlantikbrücke«) der DEM-Deep-State-Gemengelage. Eine Schwarte von 254 Seiten mit 874 Fußnoten lässt sich schwer in 2.000 Zeichen zusammenfassen... »Das längere Telegramm«, das 2021 in das WEF lanciert wurde, sei kurz erwähnt (Seite 51 im Elsner-Buch). In ihm werden »alle europäischen Oppositionsparteien links und rechts von den transatlantlischen Regierungen als 'trojanische Pferde des Kreml'« bezeichnet. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass sich dieses Machwerk auf das »Lange Telegramm«, den Grundstein des Kalten Kriegs 1.0, von George F. Kennan aus dem Jahre 1946 bezieht. Der »Richtungsstreit« ist also eine fundamentale Auseinandersetzung um die weitere US-Strategie. Frieden in Europa interessiert weder die DEMs noch die REPs noch den tiefen Staat. Das Einzige, was sie interessiert: Selber schadlos und Hegemon bleiben.

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