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Aus: Ausgabe vom 29.07.2025, Seite 2 / Ausland
Österreich

Antifacamp gestürmt

Österreich: Polizei dringt mit Hundertschaft in Bildungsort ein
Von Andreas Pittler, Wien
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Partisanendenkmal am Peršmanhof in Kärnten: Der Ort war Schauplatz eines Naziverbrechens

Am Sonntag hat die österreichische Exekutive einen antifaschistischen Bildungsort gestürmt. Rund 60 Jugendliche hatten am Wochenende den Peršmanhof besucht, um dort Vorträge über Nazikriegsverbrechen und antifaschistischen Widerstand während des deutschen Faschismus zu hören und gemeinsam darüber zu diskutieren. Doch die konstruktive Stimmung wurde jäh von der Polizei zerstört. Mit einer Hundertschaft rückte sie an, unterstützt von Hubschraubern, Drohnen und einer Hundestaffel. Der Vorwand für diese Aktion: Angeblich hätten die Jugendlichen – auf Privatgrund und mit Erlaubnis des Besitzers wohlgemerkt – illegal gecampt und hätten zudem die öffentliche Ordnung gefährdet – auf einem einzelnen Gebäude inmitten gebirgiger Einöde.

Dass es darum nicht geht, liegt auf der Hand, denn die amtshandelnden Beamten sind keine einfachen Streifenpolizisten, sondern Mitarbeiter des Staatsschutzes. Erziehung im Geiste der österreichischen Verfassung wird offenbar heutzutage schon als Staatsgefährdung wahrgenommen. Das verwundert nicht, denn der Innenminister ist ein Verehrer des austrofaschistischen Diktators Engelbert Dollfuß und sein Handlanger, der örtliche Bezirkshauptmann, ein Förderer von Treffen der kroatischen Ustascha-Faschisten auf Österreichs Boden.

Um so dringlicher ist die lückenlose Aufklärung dieses Skandals. Grüne, KPÖ, ja selbst die populistische Partei »Team Kärnten« rufen nach Konsequenzen, die, will sich dieser Staat selbst ernst nehmen, gezogen werden müssen – wenn das Bekenntnis zu Demokratie und Antifaschismus ernstgemeint ist und nicht nur für Sonntagsreden taugen soll.

Der Peršmanhof im Gemeindegebiet von Bad Eisenkappel hat eine besonders tragische Geschichte. Angehörige einer SS-Formation stürmten ihn am 25. April 1945 und ermordeten elf Mitglieder der dort wohnenden Familien Sadovnik und Kogoj. Sieben der Opfer waren Kinder, das jüngste wenige Monate alt. Die Überlebenden der Familie Sadovnik stellten das Haus der zeitgeschichtlichen Forschung zur Verfügung, ein eigener Bildungsverein erarbeitete eine ausführliche und genaue Ausstellung über die Ereignisse 1945 und betreibt den Erinnerungsort heute als eine Begegnungsstätte des Dialogs und der antifaschistischen Erziehung.

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