Waffenruhe vereinbart
Von Thomas Berger
Die Erleichterung ist nicht nur in Südostasien groß: Am frühen Montag abend (Ortszeit) haben sich Thailands amtierender Premier Phumtham Wechayachai und Kambodschas Regierungschef Hun Manet auf eine ab Mitternacht geltende »sofortige und bedingungslose Waffenruhe« verständigt. Von einem »vitalen ersten Schritt zu Deeskalation und Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit« ist in der gemeinsamen Stellungnahme die Rede. Bei den Gesprächen im malaysischen Regierungssitz Putrajaya am Rande der Hauptstadt Kuala Lumpur wurden auch einige weiterreichende Punkte vereinbart. Die zuständigen Armeekommandeure beider Seiten sollen zu einem ersten Austausch zwecks Überwachung der Feuerpause am Dienstag morgen zusammentreffen. Malaysias Premier Anwar Ibrahim sagte zu, sein Land, das derzeit den Vorsitz im südostasiatischen Staatenbund ASEAN führt, werde sich auch in das Monitoring einbringen. Am 4. August ist ein Treffen des bilateralen Grenzkomitees geplant, wofür Kambodscha Gastgeber sein soll.
Hun und Wechayachai ergingen sich bei der folgenden Pressekonferenz nicht in langen Erklärungen, lobten aber die Atmosphäre des Gesprächs sowie die Vermittlungsbemühungen. Neben Malaysia hatten auch Abgesandte der USA und Chinas das Treffen begleiteErst in dieser Dreierkonstellation der Vermittler gelang nun eine Grundsatzeinigung mit Hoffnung auf weitere Entspannung des Konflikts. Der zum Auftakt der Gespräche von Kambodscha neu erhobene Vorwurf, Thailands Armee habe angeblich neben geächteter Streumunition auch Giftgas eingesetzt, illustrierte erneut, dass dies Zeit braucht. Bangkok wies die Vorwürfe umgehend zurück. Noch unklar blieb zunächst, wie schnell die etwa 300.000 aus dem Grenzgebiet evakuierten Menschen in ihre Heimatorte zurückkehren können.
Der nach knapp anderthalb Jahrzehnten Ruhe abermals militärisch eskalierte Grenzstreit hat seine Wurzeln in der Kolonialzeit. Um nicht unter fremde Herrschaft zu fallen, überließ das Königreich Siam (Thailand) den französischen Kolonialherren große Gebiete seines Territoriums. Frankreich übernahm 1907 die Grenzziehung zu dem von ihm kontrollierten Französisch-Indochina, die von der zuvor mit der siamesischen Seite festgelegten abwich. Daher erkannte Siam und später Thailand dies nicht an und nutzte 1954 das Machtvakuum nach dem Abzug Frankreichs, um den Tempel Preah Vihear, der im Zentrum des Konflikts steht, zu besetzen. Das nunmehr unabhängige Kambodscha rief daraufhin den Internationalen Gerichtshof (IGH) an, der Phnom Penh in einem Mehrheitsurteil zehn Jahre später juristischen Rückhalt verschaffte: Der Tempel liegt demnach auf dem Territorium Kambodschas und unterliegt dessen Souveränität. Das Urteil betraf jedoch nicht das Gebiet um den Tempel, die 4,6 Quadratkilometer werden nach wie vor von Thailand beansprucht.
Preah Vihear ist die noch immer imposante Ruine eines dem Hindugott Shiva geweihten riesigen Tempels, den die damaligen Könige des Khmer-Königreiches von Angkor im 9. Jahrhundert erbaut und die nächsten 200 Jahre erweitert hatten. 2008 hatte Kambodscha den zuvor abgekühlten Konflikt mit seinem einseitigen Antrag, Preah Vihear in die Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen, neu entfacht. Die UNESCO kam dem nach, mit Thailand gab es aber 2011 – ähnlich wie jetzt – mehrere Wochen heftigen Artilleriebeschuss. Seit dem Ende dieser schweren Konfrontation war jeder noch so kleine Versuch dessen, was die Gegenseite als »illegale Landnahme« in den ungeklärten Sektoren hätte interpretieren können, mit Argusaugen überwacht worden. Das mutmaßliche Vordringen einer kambodschanischen Armeeeinheit hatte Ende Mai schon ein kurzes Feuergefecht ausgelöst. Kürzlich hatte Kambodscha angekündigt, für eine final bindende Rechtsprechung erneut den IGH einschalten zu wollen, was Thailand allerdings bisher ablehnt.
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