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Aus: Ausgabe vom 16.07.2025, Seite 8 / Ansichten

Trump fein raus

USA verlieren Interesse an Ukraine-Krieg
Von Reinhard Lauterbach
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Auch die neuen »Patriot«-Systeme werden keine Wende im Ukraine-Krieg bringen (Sochaczew, Polen, 18.12.2024)

Donald Trump hat, anders als der Tenor der bürgerlichen Presse besagt, nicht nur der Ukraine die Lieferung von »Patriot«-Raketensystemen zugesagt. Wer dies als »Wendepunkt zum Guten« (SZ) bejubelt, hat das Kleingedruckte nicht gelesen. So ist nicht bekannt, wie viele Systeme die USA liefern, und was Trump unter einem System versteht: eine Batterie mit im Schnitt sechs Abschussvorrichtungen, eine einzelne dieser Vorrichtungen? Die von Trump ins Spiel gebrachte Zahl von 17 entspräche, grob gesagt, genau den drei Batterien, deren Erwerb zur Weitergabe an Kiew die BRD und Norwegen angekündigt haben. Batterien, von denen Verteidigungsminister Boris Pistorius der Financial Times sagte, es werde Monate dauern, bis sie tatsächlich an die Front kämen. Also psychologische Placebos, die den russischen Luftkrieg gegen die Ukraine kurzfristig nicht schädigen können.

Hier kommt der Faktor Zeit ins Spiel: Trump hat gerade die Verhängung seiner Strafzölle gegen alle Länder, die noch mit Russland Handel treiben, um 50 Tage aufgeschoben. US-Medien berichten derweilen, Putin habe Trump in ihrem letzten Telefongespräch gesagt, die russischen Truppen würden in den nächsten 60 Tagen verstärkte Anstrengungen unternehmen, alle ukrainischen Regionen zu erobern, auf die Russland Anspruch erhebt: in erster Linie die noch nicht besetzten Teile der Bezirke Donezk und Saporischschja.

Ist das also der Deal: Russland hat zwei Monate Zeit, zu erobern, was es noch erobern will, und am Ende soll ein Waffenstillstand stehen, den sich Trump an die Weste heften kann? Sollte Trump so denken, verkennt er aber, dass Russland von seinen Kriegszielen nicht ablassen wird, wenn es sie innerhalb der Frist nicht erreicht haben sollte. Es misstraut erstens der Ukraine, zweitens den USA, drittens insbesondere der EU zu sehr. Wenn deren selbsternannte Führungsmacht jetzt durch den Mund von Bundeswehr-General Christian Freuding angekündigt hat, der Ukrai­ne die Produktion von Hunderten Mittelstreckenraketen – statt der Lieferung von »Taurus«-Marschflugkörpern – zu finanzieren, dann ist dies ein Indiz dafür, dass zumindest Berlin auf die Verlängerung des Krieges setzt.

So ergibt sich folgendes Bild: Die USA verlieren das unmittelbare Interesse am Konflikt in der Ukraine, versuchen aber weiterhin, an ihm zu verdienen. Die EU zahlt Abermilliarden für US-Rüstungsgüter, die sie nicht aus eigener Produktion ersetzen kann – etwa die »Patriots«. Sie gerät damit auch in die vorderste Schusslinie eventueller russischer Gegenschläge. Der frühere russische Sicherheitschef Sergej Naryschkin hat schon gesagt, sein Land wisse natürlich, wo die deutschen Raketenfabriken stehen. Was übrigens für die ukrai­nischen genauso gilt: Drohnen kann man in jeder Garage zusammenbauen – Raketen nicht. Die nächsten Grüße mit dem »Oreschnik« stehen im Raum. Und Trump wäre fein raus.

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