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Aus: Ausgabe vom 25.07.2025, Seite 8 / Ansichten

Am Wendepunkt

EU-China-Gipfel
Von Jörg Kronauer
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Immerhin zeigen sie gute Miene: EU-Kommissionschefin von der Leyen und EU-Ratspräsident Costa beim Fototermin mit Chinas Staatschef Xi (Beijing, 24.7.2025)

In einem waren sich Chinas Präsident Xi Jinping und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen trotz – oder wegen – aller sonstigen Differenzen einig: Die Beziehungen zwischen der Volksrepublik und dem europäischen Staatenkartell stehen 50 Jahre nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen an einem Wendepunkt. Dies trifft in gleich mehrfacher Hinsicht zu.

Da ist zunächst die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten ihren Druck auf die EU erhöhen, ihre wirtschaftlichen Bindungen an China rasch zu reduzieren. Entsprechende Klauseln sucht die Trump-Administration in den Handelsvereinbarungen zu verankern, die sie Brüssel mit der Androhung von Pauschalzöllen in Höhe von 30 Prozent abzupressen sucht. Auch darüber hinaus ist Washington kontinuierlich bestrebt, Keile zwischen die EU und China zu treiben. Die Absicht liegt auf der Hand. Die USA spitzen ihren Machtkampf gegen die Volksrepublik mit allen Mitteln zu, stationieren immer mehr Militär unmittelbar vor Chinas Küste – auf Taiwan, auf den Philippinen. Wer das tut, weiß, dass er einen Krieg riskiert. Kommt es zum Äußersten, wird die EU sich für eine Seite entscheiden müssen; nach Lage der Dinge für die USA.

Es kommt hinzu, dass China technologisch und wirtschaftlich immer eigenständiger wird – nicht zuletzt übrigens, weil die USA und die EU es mit Sanktionen und allerlei sonstigen Schikanen dazu gezwungen haben. Das hat zur Folge, dass die Volksrepublik ihre Bedeutung als herausragender Absatzmarkt der EU einbüßt. Zudem verlieren vor allem deutsche Firmen auf anderen Absatzmärkten, inzwischen sogar in der EU selbst, Marktanteile an erstarkende chinesische Unternehmen. Der ehedem so bequeme Wirtschaftspartner wird zunehmend auch ökonomisch zu dem Rivalen, der er politisch schon längst ist. Wäre China nicht weiterhin für allerlei deutsche Konzerne ein bedeutender Standort – nicht zuletzt, um technologisch den Anschluss an die Weltspitze zu halten –, dann wäre die endgültige Abkehr der EU von der Volksrepublik womöglich bereits vollzogen.

Last but not least: Beijing hat begonnen, mit Exportkontrollen – bei seltenen Erden und anderen Rohstoffen – Druck auf die EU auszuüben. Bislang malträtierten üblicherweise die westlichen Staaten abhängige Länder auf diese Weise. Zum ersten Mal dreht nun China den Spieß um: Es ist inzwischen stark genug, sich das leisten zu können. Die EU schäumt. Auf das Erstarken eines Rivalen kann man auf zweierlei Weise reagieren: entweder indem man einen Ausgleich sucht, oder indem man den Rivalen immer härter bekämpft. Das ist der zentrale Wendepunkt, an dem die EU steht.

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