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Aus: Ausgabe vom 23.07.2025, Seite 2 / Inland
Staatsräson gegen Pressefreiheit

Polemik abgestraft

Berlin: Landgericht urteilt gegen Journalisten
Von Niki Uhlmann
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Karoline Preisler in Aktion bei einer Demonstration zum palästinensischen Nakba-Tag (Berlin, 18.5.2024)

Sie sei »so aufgeregt«, da sie »heute mit dem Urteil gegen Jakob Reimann« rechne, teilte die proisraelische Aktivistin Karoline Preisler (FDP) am Dienstag via X mit. Verlinkt hatte sie eine neue Spendenkampagne – womöglich, um weiteren palästinasolidarischen Menschen rechte Anwälte auf den Hals zu hetzen. Damit hatte sie gleichentags nämlich wieder Erfolg: Das Landgericht Berlin II hat in ihrer Klage gegen den jW-Autoren Jakob Reimann für die Klägerin entschieden. Dass Reimann sie im September 2024 auf X sinnentstellend zitiert haben soll, wurde nun ­erstinstanzlich festgestellt.

Wie zu Prozessbeginn am vergangenen Freitag bereits mit dem Hinweis angedeutet, das Gericht gehe von einem Falschzitat aus, urteilte die zuständige Richterin im Sinne Preislers. Demnach habe letztere Israel in bezug auf die systematischen Massenvergewaltigungen in seinen Foltergefängnissen nur deshalb »menschlicherer Akteur« genannt, weil es diese Verbrechen angeblich ahnde. Reimann hatte diese realitätsferne und falsche Erklärung der im Wortlaut zitierten Aussage in seinem Post allerdings ebenso unterschlagen wie Preislers Beteuerung, alle Vergewaltigungen zu ächten. Dadurch habe er, so das Gericht, einem »unbefangenen Leser« den Eindruck vermittelt, die Klägerin würde die Vergehen der israelischen Streitkräfte billigen. Wiederholt Reimann seine Aussage, drohen ihm bis zu 250.000 Euro Strafe oder ersatzweise ein halbes Jahr Knast. Den Post auf X muss er löschen.

»Wir sind natürlich enttäuscht, dass die rechte Influencerin mit ihrem Angriff auf die Pressefreiheit durchgekommen ist«, kommentierte Reimann gegenüber jW. Im »Staatsräson-Deutschland«, das das »rechtsradikale israelische Regime« und mit ihm selbst die extremsten Verbrechen israelischer Soldaten »bedingungslos und unbeirrbar« decke, verwundere so ein Urteil aber letztlich nicht. Vor Gericht habe man dargelegt, dass »die behauptete juristische Verfolgung von Vergewaltigungsvorwürfen in Israel«, auf die Preisler ihre Wertung gestützt haben will, gar nicht existiere. Dass die Juristin »diese Worte« – menschlicherer Akteur – »überhaupt gebraucht hatte, steht symptomatisch für die erschreckende Verrohung, die wir im deutschen Diskurs zu Israel-Palästina beobachten«. Reimann wird in Berufung gehen.

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