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Aus: Ausgabe vom 09.07.2025, Seite 11 / Feuilleton
Rudolstadt-Festival 2025

Thüringen mal anders.

So schön war es auf dem Rudolstadt-Festival
Von Thomas Behlert
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Bester Laune: Das Desmadre Orkesta aus Argentinien in Rudolstadt (4.7.2025)

Man fährt mit einem mulmigen Gefühl nach Rudolstadt zum diesjährigen Festival. Bei Gösselsdorf im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt brennen 300 Hektar Wald. Letzte Nachricht vorm Eintauchen in die Welt von Roots, Folk und Weltmusik: Feuerwehr und freiwillige Helfer haben die Umweltkatastrophe im Griff. Puh, noch mal Glück gehabt.

Gleich am Donnerstag, dem 3. Juli 2025, beginnt abends der Heinepark zu beben. Die Malierin Sadio Sidibe und ihre Band begeistern das Publikum. Über 3.000 Menschen wippen, tänzeln selig vor der großen Bühne. Cooler Steeldrum-Sound! Es groovt, swingt, alle Beteiligten freuen sich jetzt schon auf die kommenden Tage mit Straßenmusik, Tänzen, Gesprächen, Ausstellungen, kleinen und großen Konzerten; Länderschwerpunkt ist Mali. Doch auch Donnerstag ist noch nicht Schluss. Die in New York geborene Berliner Künstlerin Sorvina präsentiert einen Mix aus HipHop und Soul. Hinhören ist Pflicht.

Die nächsten Tage bis zum 6. Juli geht es immer wieder durch die Innenstadt, man will ja nix verpassen. Überall stehen Musiker auf kleinen Bühnen, spielen die Töne ihres Lebens, Blues, Folk, Rock, französische oder bulgarische Klänge. Apropos: Bulgarien ist die Heimat des Chinary Junior Ensembles. Akkordeon, Dudelsack, Tamburin, Trommel, Gesang und Tanz, die jungen Musiker sind zwischen 14 und 16 Jahren alt. Dann ist da das Thüringer Folkloreensemble Rudolstadt, das Sonnabend und Sonntag den Reigen auf dem Markt eröffnet, mit Leidenschaft, Artistik, Humor alte Bräuche herzt, seit nunmehr 60 Jahren. Oder Eda Diaz, Mutter Französin, Vater Kolumbianer. Wer sie sieht, wird sie nicht mehr vergessen, sie und ihre Collage aus Tango, französischen Songs, gespickt mit Texten lateinamerikanischer Schriftsteller, Pablo Neruda, Gabriel García Màrquez.

130 Bands verteilt auf 30 Bühnen. Viele Musiker aus Mali darunter, na klar. Baba Sissoko zum Beispiel, der mit »sprechender Trommel« und viersaitiger Ngoni, Bluesharp, Funk-Gitarre und Drumset mediterranen Blues auf großer Bühne im Heinepark in die Ohren zu zaubern weiß. Sissokos Groove lässt das Publikum wie verrückt tanzen, Ersthelfer bauen sich in der Nähe auf – vorsicht.

Den deutschen Weltmusikpreis »Ruth« bekommen der aus Burkina Faso stammende, in Dresden lebende Musiker Ezè Wendtoin und Tanzmeisterin Sigrid Doberenz. Am Ende gilt wieder mal wie immer: Das Rudolstadt-Festival, ein herrliches Stück Musikgeschichte voller Schönheit, relaxter Menschen in friedvoller Atmosphäre. Wenn es in Thüringen doch immer so wäre.

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