»Wir müssen alles tun, um diesen Krieg zu verhindern«
Interview: Gitta Düperthal
Im Frankfurter Gewerkschaftshaus haben die Initiativen »Nein zur Wehrpflicht« und »Nie wieder Krieg – die Waffen nieder« am Sonntag eine gemeinsame Tagung veranstaltet. Worum ging es den mehr als 100 Teilnehmern dabei genau?
Seit der von SPD-Kanzler Olaf Scholz proklamierten »Zeitenwende« ist klar: Deutschland soll militarisiert werden. 2024 gründete sich das Jugendbündnis »Nein zur Wehrpflicht«, das seit Monaten mit der Petition »Gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht und anderer Zwangsdienste« auf die Pläne der Regierung aufmerksam macht. Auf der Konferenz diskutierten wir mit der Initiative »Nie wieder Krieg – die Waffen nieder« darüber, wie die geplante Wehrpflicht politisch einzuordnen ist und was wir tun können, um sie zu verhindern. Dazu trafen sich Aktivisten aus ganz Deutschland, aus Parteien, Schülervertretungen und Fachschaftsräten.
Welche Aspekte standen im Mittelpunkt?
In mehreren Workshops diskutierten wir, mit welchen Aktionen wir in Schule, Uni, Betrieb und der breiten Öffentlichkeit den Widerstand gegen die Wehrpflicht stärken können. Wir gründen in vielen Orten lokale Bündnisse, um den Protest in ganz Deutschland zu organisieren. Zum Antikriegstag am 1. September werden wir ebenso wie am 3. Oktober mit dem Schwerpunkt »Wehrpflicht« auf die Straße gehen.
Nach der Sommerpause wird der Bundestag ein Gesetz für eine verpflichtende Musterung beschließen: Männliche Jugendliche müssen dann Fragebögen der Bundeswehr ausfüllen, für weibliche ist das vorerst freiwillig. Die Bögen sollen noch in diesem Jahr verschickt werden. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD plant einen freiwilligen Wehrdienst mit fließendem Übergang zur Wehrpflicht.
Ältere Menschen sind eher als jüngere für die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Wie gehen Sie damit um?
Wir erklären den Jüngeren: Dagegen zu sein reicht nicht, wir müssen uns organisieren. Ansonsten machen wir deutlich, dass die Wehrpflicht Teil der Kriegsvorbereitung ist. Pistorius sagt: »Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig werden.« Ein Krieg gegen Russland soll vorbereitet werden. NATO-Berechnungen zufolge würden in einem solchen täglich 5.000 deutsche Soldaten sterben. Dafür braucht es Kanonenfutter. Da geht es nicht mehr um Lebensmodelle, Kameradschaft oder ähnliches, sondern ums Töten und Sterben. Wir müssen alles tun, um diesen Krieg zu verhindern.
Woran machen Sie die Militarisierung der Gesellschaft fest?
Das Aufheben der Schuldenbremse für Militärzwecke und das neue NATO-Ziel, das fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung vorsieht, bedeuten: Jeder zweite Euro des Bundeshaushalts wird für Kriegsvorbereitung eingesetzt. Die Bundeswehr schwimmt im Geld, macht Propaganda mit Volksfesten und wirbt Kinder an. Zugleich vermittelt eine mit Angst und Schrecken aufgeladene Kampagne den Eindruck, als stünden russische Truppen bald in Brandenburg. Am Ende soll die Gesellschaft der Militarisierung noch zustimmen!
Suggeriert wird, Aufgabe der Bundeswehr sei es, im Kriegsfall die Bevölkerung zu schützen. Im Krieg ist aber den Menschen klar: Dort, wo Armeen agieren, möchte niemand leben …
Um Schutz der Bevölkerung geht es nicht. Ginge es nur um Verteidigung, bräuchte es diese Aufrüstung nicht. Europa ist stärker gerüstet als Russland. Die NATO will westliche Hegemonie aufrechterhalten, mit imperialistischen Wirtschafts- und Kapitalinteressen. Ein solcher Krieg kann sehr gefährlich für uns werden. Viele demonstrieren gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen nahe Wiesbaden, weil sie die Menschen dort zur Zielscheibe macht. Sollte es zum Krieg zwischen Russland und der NATO kommen, wäre Deutschland ein zentrales Schlachtfeld.
Muss sich die Partei Die Linke deutlicher positionieren?
Die Linke war bei der Konferenz dabei. Sie muss sich der Antikriegsbewegung anschließen, für Demonstrationen mobilisieren. Wir müssen eine Breite erreichen, die diese Entwicklung noch aufhalten kann.
Julian Eder ist Mitglied der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend, SDAJ, im Bündnis »Nein zur Wehrpflicht« aktiv und Mitorganisator der Konferenz »Wehrpflicht – ohne uns«
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