Haushalt oder Hirn
Von Henning von Stoltzenberg
Hessens Hochschulen schlagen Alarm gegen drohende Kürzungen. Nicht zum ersten Mal. Landesweit sind am Dienstag Betroffene gegen die Kürzungspläne der CDU-SPD-Regierung auf die Straße gegangen. Die hessischen Hochschulpräsidien hatten erst vor kurzem vor einer strukturellen Unterfinanzierung gewarnt. Dennoch vertritt die Regierung in Wiesbaden die Position, dass der sogenannte Hochschulpakt für die Jahre 2026 bis 2031 – hinter verschlossenen Türen – »fair« verhandelt worden sei, wie das Wissenschaftsministerium am Montag gegenüber dpa mitteilte.
Die Universitäten warnen vor einem dauerhaften Weggang von zehn Prozent des Personals in den Bereichen Wissenschaft, Kunst und Verwaltung. Diejenigen, die die verdünnte Suppe künftig auslöffeln sollen, gehen von einem Defizit in Höhe von rund einer Milliarde Euro in den nächsten sechs Jahren aus, sollten die Planungen der Landesregierung Realität werden. Diese Befürchtung wird von der Regierung nach eigenem Bekunden nicht geteilt.
»Grundsätzlich ist es gut, wenn sich Studierende und Beschäftigte für die ausreichende Finanzierung ihrer Hochschulen engagieren«, erklärte Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD). Sein Ministerium versuche angeblich, das Beste für sie herauszuholen. »Wir sehen Studierende und Beschäftigte nicht als Gegner«, beschwichtigte Gremmels. Sein Ressort begründet die geplanten Kürzungen mit Verweis auf den allgemeinen »Spardruck« bei den Landesfinanzen angesichts der sinkenden Konjunktur und geringeren Steuereinnahmen. Der »Hochschulpakt« für die Jahre 2021 bis 2025 sei positiver für Forschung und Lehre gewesen, weil sich die Landesfinanzen generell günstiger dargestellt hätten. Aber es habe auch schon mehr Kürzungsbedarf bei früheren Fünfjahresplänen für die Hochschulfinanzierung gegeben, wie sie in Hessen seit 2002 aufgelegt werden.
Den Verweis auf geringere Steuereinnahmen zur Rechtfertigung der Kürzungen lässt Stefan Röhrhoff, Verdi-Zuständiger für Hessens Hochschulen, nicht gelten. »Die Kürzungen sind nicht alternativlos. Die prekäre Lage der öffentlichen Haushalte – auch in Hessen – ist zu einem großen Teil selbst gemacht«, erklärte er in einer Mitteilung vom Dienstag. Während der Staat weiterhin auf »eine angemessene Besteuerung großer Vermögen und Gewinne« verzichte, werde bei der öffentlichen Daseinsvorsorge gekürzt. »Das ist unsozial und zukunftsfeindlich«, urteilte Röhrhoff.
Die Gewerkschaften Verdi und GEW rufen gemeinsam mit den Studierendenvertretungen zu Protesten in den Hochschulstädten Marburg, Kassel, Darmstadt, Frankfurt, Fulda und Wiesbaden auf. Zuletzt waren Forderungen laut geworden, das Sockelbudget für die Hochschulen nicht zu kappen sowie tarifbedingte Personalkostensteigerungen und die Inflation für sie auszugleichen. »Die Kritik an den geplanten Kürzungen an Hochschulen ebbt nicht ab, dennoch bewegt sich die hessische Landesregierung noch nicht«, heißt es beispielsweise auf dem Instagram-Profil des Allgemeinen Studierendenausschusses der Universität Frankfurt am Main. Mehr als 11.000 Menschen sollen eine Petition an Finanzminister Ralph Lorz (CDU) unterschrieben haben. Lorz erklärte demnach aber, er habe »keine Zeit«, sie entgegenzunehmen. Daher sei es Zeit, auf die Straße zu gehen.
»Eine solche Protestbewegung gab es schon lange nicht mehr an den hessischen Hochschulen«, teilte Simone Claar, stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen, am Dienstag mit. »Tausende Beschäftigte und Studierende machen hessenweit klar: So nicht!«, fasste sie die Proteste zusammen. Sollte die Landesregierung »den Rotstift bei Bildung und Wissenschaft« ansetzen, dann nehme sie »die Kosten für den Wissenschaftsstandort in Hessen billigend in Kauf«, warnte die GEW-Funktionärin. Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer brächte ihr zufolge der Landeskasse zusätzliche Mittel für eine »auskömmliche Finanzierung der Hochschulen« ein. Es ist Claar zufolge »höchste Zeit, dass CDU und SPD auf die Sorgen und Nöte an den Hochschulen eingehen« und die Kürzungspläne vom Tisch nehmen.
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