Eine Plage mit dem Pflegepakt
Von Oliver Rast
Das war sie also: Die Auftaktrunde der Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG) »Zukunftspakt Pflege«, die am Montag nachmittag in Berlin endete. Das Erstergebnis: Ein Beschluss über Eckpunkte. Eckpunkte, die zum Ziel führen sollen. Zur »grundlegenden Reform« der sozialen Pflegeversicherung (SPV), sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) gleichentags vor Medienvertretern. Denn die müsse sitzen; es gibt gewissermaßen nur noch diesen einen Schuss. Ein »Reförmchen« werde nicht reichen, und Zeit für Grundsatzdebatte gebe es auch nicht. »Wir brauchen schnelle Ergebnisse.« Also: Schnellschüsse?
Zumindest das: Pflegeversicherte müssen sich auf »Einschnitte« einstellen. »Denkverbote« dürfe es nicht mehr geben, hieß es aus BLAG-Kreisen. Aus dem Mund der bayerischen Gesundheitsministerin Judith Gerlach klingt das so: Ehrlich müsse man sich machen, »welche Leistungen wir brauchen, welche wir gerne haben wollen, und welche vielleicht auch verzichtbar sind«, so die CSU-Politikerin am Montag. Warken sekundierte – und sagte: »Zusätzliche Leistungen wird es nicht geben.« Es müsse mehr Anreize für eigenverantwortliche Fürsorge geben, das bisherige Umlagesystem, bei dem Erwerbstätige und Unternehmer für Pflegebedürftige zugleich aufkommen, sei durch kapitalgedeckte Elemente zu ergänzen. In einem Papier aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt es laut FAZ vom Dienstag, man denke dabei an einen »weiterentwickelten, kapitalgedeckten Pflegevorsorgefonds«. Bereits zuvor hatte Ressortchefin Warken klargemacht, dass die SPV nicht von einem »Teilkasko- in ein Vollkaskomodell« umgebaut werden könne, das dann alle Gesundheitsrisiken Pflegebedürftiger abdecken würde.
Deutlicher noch wurde die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Demnach sollen Betroffene im ersten Jahr der Pflegebedürftigkeit selbst zahlen, erst ab dem zweiten Jahr springt die Kasse ein, berichtete die Rheinische Post am Dienstag. Die Forderung nach einer »Karenzzeit« also.
Erwartbar ist: Die Versicherer dürften die SPV-Beitragssätze weiter erhöhen. Nach der Erhöhung des allgemeinen Satzes mit Beginn des Jahres von 0,2 Prozentpunkten auf 3,6 Prozent des versicherungspflichtigen Bruttoeinkommens. Analysten der DAK-Gesundheit prognostizierten unlängst ein Defizit in der SPV für das laufende Jahr in Höhe von 1,65 Milliarden Euro, im kommenden eines von 3,5 Milliarden Euro.
Der Hauptgrund für das Finanzloch sind und bleiben versicherungsfremde Leistungen. Zuvorderst die milliardenschweren Coronahilfen, die der Bund aus dem SPV-Ausgleichsfonds entwendet hatte – und weiterhin nicht zurückzahlen will. Ferner müssten die Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen künftig aus Steuermitteln bezahlt werden. Das würde die Kassen um rund vier Milliarden Euro entlasten. Jährlich.
Was bietet das Bundeskabinett? Ein Zwei-Milliarden-Darlehen fürs Stopfen des akuten Finanzlochs bei der SPV. Ein Placebo, mehr nicht.
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