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Aus: Ausgabe vom 26.06.2025, Seite 7 / Ausland
Iran-Krieg

Ruf aus dem Evin-Gefängnis

Iran: Politische Gefangene warnen vor »Regimewechsel von außen«
Von Nick Brauns
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Eingangsbereich des Evin-Gefängnisses in Teheran

Bei einem israelischen Luftangriff auf das berüchtigte Evin-Gefängnis im Norden von Teheran sind am Montag wohl mehrere politische Gefangene, deren Angehörige sowie Justizangestellte verletzt oder getötet worden. Das gaben am Dienstag sowohl ein Sprecher des iranischen Justizministeriums als auch die Solidaritätskampagne »Dienstage gegen Hinrichtungen« bekannt. So seien mehrere Abteilungen des Frauentrakts »schwer beschädigt« worden, die Gefangenen befänden sich ohne medizinische Versorgung für die Verwundeten, ohne Wasser und Nahrungsmittel weiterhin unter strenger Bewachung, heißt es in der Erklärung der Kampagne.

Der Luftangriff auf das als Symbol staatlicher Repression geltende Gefängnis wurde in internationalen Medien teilweise als Signal Israels an Oppositionskräfte für den Sturz der Islamischen Republik gedeutet. Indessen haben mehrere dort inhaftierte politische Gefangene die Bombardierung als gezielte Eskalation auf dem Rücken der schutzlosen Gefangenen bezeichnet, wie die kurdische Nachrichtenagentur ANF am Dienstag berichtete. In einem zuvor vom persischsprachigen Dienst von ANF veröffentlichten Brief hatten sich die vier Frauen explizit gegen einen »Regimewechsel von außen« gewandt. »Die Vorstellung, dass unsere Befreiung durch ausländische Mächte kommen könnte, ist ein gefährlicher Irrtum«, heißt es. »Diese Kräfte haben nie Freiheit gebracht – nur Ausbeutung, Krieg und Herrschaft.« So habe Israel die Region als Handlanger der USA mit Krieg und Zerstörung bis hin zum Völkermord überzogen. Die Zerstörung syrischer Infrastruktur und die jetzigen Angriffe im Iran zeigten, dass Israel einen schwachen und unterwürfigen Nahen Osten anstrebe. »Wir, das iranische Volk, sind in der Lage, uns mit vereinten Kräften gegen die Diktatur zu wehren, die unser Land beherrscht«, sind die Unterzeichnerinnen, die selbst aus der Frauen-, der Arbeiter- und der kurdischen Befreiungsbewegung kommen, überzeugt. »Unsere Hoffnung liegt nicht in Drohnen oder Raketen, sondern im Widerstand unserer Körper, unserer Stimmen und unserer Solidarität.«

Die 40jährige Varisheh Moradi ist Aktivistin der kurdischen Frauenbewegung KJAR und hat in Syrien gegen den »Islamischen Staat« gekämpft. Wegen ihrer Beteiligung an den »Jin-Jiyan-Azadi«-Protesten im Iran wurde sie im November 2024 von einem Revolutionsgericht in Teheran unter dem Vorwurf der »bewaffneten Rebellion« zum Tode verurteilt. Die Schriftstellerin und Aktivistin gegen Steinigungen Golrokh Ebrahimi Iraee, die Gewerkschafterin Reyhaneh Ansarinejad und die kurdische Aktivistin Sakineh Parvaneh sind aufgrund ihres politischen Engagements zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Mit Exiloppositionellen, die die israelischen Luftangriffe als »Chance« für einen Umsturz begrüßt haben, wie der von ihnen namentlich nicht genannte Schahsohn Reza Pahlavi, rechnen die Unterzeichnerinnen als »Verräter am Iran, den Völkern des Nahen Ostens und den jahrzehntelangen Kämpfen der Unterdrückten« ab.

Derweil nutzt die Islamische Republik die seit Dienstag geltende Waffenruhe, um die Repression gegen Oppositionelle wieder zu verschärfen. So wurden nach Informationen der Menschenrechtsorganisation Hengaw im Gefängnis der Stadt Urmia die politischen Gefangenen Idris Ali, Azad Shojai und Rasul Ahmed Rasul hingerichtet. Den drei Kurden wurde Agententätigkeit für Israel vorgeworfen.

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